Auszüge aus der Rede Peter Gauweilers am 3. Oktober in Berlin

Heller Wahnsinn

Peter Gauweiler

„Erstmal zuhören“ hatte die FAZ im Vorfeld der großen Friedensmanifestation in Berlin am 3. Oktober geraten. Sie reagierte damit auf die Kritik am Auftritt des SPD-Bundestagsabgeordneten Ralf Stegner auf der Kundgebung der Friedensbewegung. Die etwa 40.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kundgebung am Großen Stern hörten genau zu und quittierten unabhängig von der Parteizugehörigkeit der Rednerinnen und Redner Kriegstreiberei mit Pfiffen und Buhrufen und Vernünftiges mit Applaus. So kam es, dass Stegner, der Waffenlieferungen an die Ukraine und an Israel verteidigte, kaum zu verstehen war, während der ehemalige Stellvertretende CSU-Vorsitzende Peter Gauweiler wie auch Gesine Lötzsch (Die Linke) und Sahra Wagenknecht (BSW) mit Zustimmung bedacht wurden. Allerdings: Auch hier große Aufmerksamkeit und Unmut, wenn statt der NATO Russland und „Putin“ und statt Israel der „islamistische Terrorismus“ gegeißelt wurden. Auch Wagenknechts Distanzierung von angeblichen Jubelfeiern angesichts iranischer Raketen auf Israel kam nicht gut an. Klarheit gab es dagegen von Iris Hefets (Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost) und der deutsch-palästinensischen Rechtsanwältin Nadija Samour, die gemeinsam gegen den Völkermord in Gaza und den Krieg Israels gegen den Libanon auftraten. Wir dokumentieren im Folgenden Auszüge aus der bemerkenswerten Rede von Peter Gauweiler:

(…) Wir sind seit einiger Zeit dabei, ein Versprechen zu brechen, das man als das Gründungsversprechen der Bundeswehr bezeichnen kann: Streitkräfte nur zur Landesverteidigung aufzustellen. (…) Seit den 90er Jahren führt Deutschland außerhalb jeder Landesverteidigung die sogenannten Kriege „für unsere Werte“. Diese begannen am 24. März 1999 mit der Bombardierung der Städte Belgrad, Novi Sad und Podgorica und waren im August 2021 mit der chaotischen Evakuierungsaktion und dem Abzug aus Afghanistan noch nicht zu Ende. Die Bundeswehr bewies dabei zwar Tapferkeit im Scheitern. Aber die völlige Nutzlosigkeit der Einsätze stand in einem reziproken Verhältnis zur Opferbilanz. Sie wird bei den Kriegen des Westens für „unsere Werte“ seit 1999 insgesamt mit über einer Million Menschen angegeben. Jetzt also die Krim und das Gebiet am Unterlauf des Don.

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(Foto: Gegen Krieg und Faschismus)

Jeder weiß, dass Russland – das noch im Jahr 2000 eine Anfrage auf Aufnahme in die NATO gestellt hat – im Konflikt mit seinem früheren Teilstaat, der Ukraine, niemals zu den Waffen hätte greifen dürfen. Aber die täglichen Schuldzuweisungen, Verurteilungen und Verwünschungen gerade von Deutschland aus lösen den Konflikt nicht. Politik ist Problemlösen. Problemlösen ist etwas anderes als richten. Auch am Tag der Deutschen Einheit sollten wir uns daran erinnern: Niemand hat die Deutschen zu Richtern über die Völker gesetzt.

Richter wissen, dass man auch mit der Wahrheit lügen kann. Das gilt auch für die Europäische Union. Sie war als Fundament für ganz Europa gedacht und nicht als Bodenteiler einer neuen Spaltung und Brüssel weiß am besten, dass es nicht richtig ist, die Schuld an der Vorgeschichte dieses Konflikts nur einer Seite anzulasten, weil dies nicht den Tatsachen entspricht.

Um es kurz zu machen: Ich bin nicht dafür, dass sich Deutschland militärisch immer mehr in den russischen-ukrainischen Krieg hineinziehen lässt. Ich halte es für hellen Wahnsinn, jetzt deutsche Raketen nach Russland schießen zu lassen. Allein dass dies von verantwortlichen Leuten als Option bezeichnet wird, ist ein weiterer Bruch des Gründungsversprechens der Bundeswehr, von dem gerade die Rede war. (…)

Dem Eskalieren von Meinungsverschiedenheiten zu bewaffneten Konflikten, von bewaffneten Konflikten zu Kriegen und von Kriegen zu Atomkriegen mit allen Sinnen und Kräften entgegenzutreten, ist eine Menschheitsaufgabe. Man kann das – im Gegensatz zum „Wutbürger“ – Verantwortungsbürgertum nennen.

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Alle Reden werden veröffentlicht auf www.nie-wieder-krieg.org

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"Heller Wahnsinn", UZ vom 11. Oktober 2024



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