Fernsehkameras aus der ganzen Welt sind in wenigen Minuten auf Sie gerichtet. Liebe Freunde, liebe Münchner, es empfiehlt sich, ab jetzt nur noch zu lächeln.“ Es war Stadionsprecher Joachim „Blacky“ Fuchsberger, der kurz vor Beginn der Eröffnungsfeier das Publikum im Olympiastadion ermahnte, fröhlich dreinzuschauen. Es sollten schließlich werbewirksame, „heitere Spiele“ werden. Alles wurde getan, um von den Olympischen Spielen in Berlin 1936, dem deutschen Faschismus, ja sogar von Vernichtungskrieg und Holocaust abzulenken. Architektur, Grafik, Design, Farbgestaltung … alles sollte modern und freundlich wirken. Sogar Kritik ließ man zu – im Beiprogramm der „Spielstraße“ auf dem Olympiagelände. Dort durften sich Künstlerinnen und Künstler austoben, die den Leistungswahn des Spitzensports kritisieren und die Olympia-Show, die die Masse zum passiven Zuschauen verdammt.
Aus der UZ erfahren wir, wo damals – bei aller gespielten Offenheit – die Grenze gezogen wurde: So beschloss der Münchner Stadtrat ein generelles Versammlungsverbot während der Spiele, um eine Demonstration der Gewerkschaftsjugend zum Antikriegstag zu verhindern. Aus dem Ordnungsamt wird gegenüber UZ angegeben, dass dies lediglich „verkehrliche Gründe“ habe. Man wolle Olympiagäste vor „Belästigungen“ schützen. Während der Spiele, die gerne mit Frieden und Völkerverständigung in Verbindung gebracht werden, sollte es keine Hinweise auf den US-Krieg gegen Vietnam geben. Es gab auch keinen Ausschluss von Sportlerinnen und Sportlern aus den USA.
Modern, heiter … und geschichtslos: Auch von den Verbrechen der Vergangenheit wollten die Olympia-Ausrichter nichts wissen. Die UZ berichtete 1972 zum Beispiel darüber, dass keine 30 Autominuten vom Olympiagelände entfernt in der KZ-Gedenkstätte in Dachau eine Ausstellung über antifaschistische Sportlerinnen und Sportler stattfinde. Eine finanzielle Unterstützung dieser Ausstellung durch das Nationale Olympische Komitee, das andere Ausstellungen zum Teil mit Millionenbeträgen finanzierte, sei verweigert worden.
Und unpolitisch sollten sie sein, die Sommerspiele 1972. Doch sie fanden mitten im Bundestagswahlkampf statt. Der Kniefall des deutschen Bundeskanzlers Willy Brandt in Warschau und seine Bitte um Vergebung für deutsche Verbrechen war keine zwei Jahre her. Im April hatte Brandt ein Misstrauensvotum nur knapp überstanden. Seine Ostpolitik und die damit verbundene Annäherung an die DDR war Gegenstand heftiger und emotionaler Debatten, die bei der politischen Rechten zu hysterischen Ausfällen führten. Die DDR wiederum sah den Auftritt einer eigenen Delegation bei den Olympischen Spielen als wichtigen Schritt in Richtung Anerkennung. Auch deshalb plädierte sie nach dem Attentat auf die israelische Delegation für eine Fortsetzung der Spiele.
Der Systemkonflikt ließ sich sowieso nicht ausblenden. Die Olympischen Spiele waren seit Helsinki 1952 ein sportlicher Wettstreit der Systeme. München war der Höhepunkt dieses Kräftemessens, das einige direkte Duelle zwischen DDR und BRD, USA und Sowjetunion bereithielt. Am Ende sollten die sozialistischen Staaten im sportlichen Systemvergleich die Nase weit vorn haben.