Unternehmer kündigen Manteltarifvertrag

Heißer Herbst für Drucker

Von Manfred Dietenberger

Ende März 2018 ging der Bundesverband Druck und Medien (bvdm) in die Offensive und kündigte einseitig den Manteltarifvertrag, der u. a. Urlaub und Wochenstundenzahl regelt, zum 30. September 2018. Gleichzeitig kündigte er an, zunächst keine weiteren Gespräche mit ver.di darüber führen zu wollen. Mit diesem umfassenden Generalanschlag auf die Arbeitsbedingungen der Kolleginnen und Kollegen zielt der bvdm auf die Beseitigung bisheriger tariflicher Regelungen, die von den Unternehmern „schon lange als zu starr und angesichts der veränderten technologischen und wirtschaftlichen Realitäten der Branche als nicht mehr zeitgemäß“ empfunden werden. „Der Manteltarifvertrag ist in weiten Bereichen dringend reformbedürftig. Er engt die Betriebe so stark ein, dass immer mehr von ihnen die Tarifbindung verlassen“, so Sönke Boyens, der Vorsitzende des Sozialpolitischen Ausschusses des bvdm. Zum Beweis ihrer Entschlossenheit winken die Druck-Herren mit der Tarifflucht-Keule, denn, „die veralteten Maschinenbesetzungsvorschriften, unflexible Arbeitszeiten sowie Zuschläge weit über den steuerlichen Freibeträgen schrecken mehr und mehr Unternehmen von einer Tarifanwendung ab“.

Im 550. Todesjahr des Johannes Gutenbergs (er starb am 3. Februar 1468) befindet sich die Druckindustrie weiter im Umbruch. Der Bleisatz gehört zur Geschichte der Druckindustrie, seine Zeit ist längst vorbei. Das Internet und eine generell veränderte Medienlandschaft treibt die Umstrukturierung der Branche voran. Besonders im Zeitungsdruck sinken die Auflagen; viele Presserzeugnisse verschwinden ganz vom Markt. Auch der Wegfall der Kataloge großer Versandhäuser war und ist spürbar in der Branche.

In Deutschland gibt es daher ein Überangebot bei den Druckereien. Besonders Tiefdruck- und Rollen-Offset-Drucker können ihre Maschinen für große Auflagen seit Jahren nicht mehr auslasten. Die Innovationszyklen werden immer kürzer, und die damit verbundenen Investitionskosten beschleunigen die Monopolisierung der Druckbranche und zwingen immer mehr Druckunternehmen in die Insolvenz. So nimmt die Zahl der Betriebe und Beschäftigten kontinuierlich ab.

Statt mit Arbeitszeitverkürzung antworten die Druck-Unternehmer mit dem Einsatz von noch produktiveren Druckmaschinen und Verfahren. Seit Jahren schreien sie nach längeren Arbeits- und Maschinenlaufzeiten. Zuletzt verhandelte ver.di im Juni 2017 ergebnislos mit dem Unternehmerverband über die von der schon seit Jahren vom bvdm geforderten Reform des Manteltarifvertrags. Hauptknackpunkt war die ver.di-Forderung nach der Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Tarifverträge. Die Druck-Unternehmer wollen moderne Produktionstechnik mit mittelalterlichen Arbeitsbedingungen koppeln und schielen dabei neidisch auf die nicht tarifgebundenen Unternehmen.

Die noch im bvdm zusammengeschlossenen Herren der Druckindu­strie wollen endlich die massive Reduzierung der Maschinenbesetzung, die Verlängerung der Arbeitszeit auf bis zu 40 Stunden pro Woche sowie die Kürzung der Zuschläge für Wochenend- und Nachtarbeit. Und selbst das reicht ihnen nicht: Sie träumen von der Abschaffung der Antrittsgebühr für Sonn- und Feiertagsarbeit und der Kürzung der Jahresleistung wie auch des Urlaubsgeldes.

Es sieht ganz danach aus, als stünde den 134 000 in der Druckindustrie beschäftigten Kolleginnen und Kollegen eine harte Auseinandersetzung im Herbst bevor. Die Druck-Unternehmer suchen bewusst die zeitgleiche Auseinandersetzung um die künftigen Arbeitsbedingungen und Löhne und Gehälter der Beschäftigten in einer Tarifrunde, um das Eine gegen das Andere ausspielen zu können. Vermutlich legen sie einen vergifteten Köder auf der Lohn- und Gehalts-Seite aus. Für bisher Unorganisierte gibt es gute Argumente, jetzt in die Gewerkschaft einzutreten. Eins davon ist: Für Gewerkschaftsmitglieder bleiben die jetzigen Arbeitsbedingen zunächst auch über den 30. September 2018 hinaus erhalten.

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"Heißer Herbst für Drucker", UZ vom 6. April 2018



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