Mit Diversität und Frauenfeindlichkeit zur erfolgreichsten Netflix-Serie

Hauptsache Vielfalt

Wenig wurde in letzter Zeit so sehr von bürgerlichem Feuilleton und Internet-Bubble gefeiert wie die Netflix-Serie „Bridgerton“. Bombastischer Kostümschinken, Liebesgeschichte, Klatsch-und-Tratsch-Szenario – und dann auch noch divers besetzt. Da überschlagen sich Kritikerinnen und Fans vor Begeisterung.

Es ist 1813, die Ballsaison beginnt und die „jungen Damen“ werden „in die Gesellschaft“ eingeführt, beginnend damit, dass sie der Königin vorgestellt werden. Die ist – historisch korrekt – Charlotte zu Mecklenburg-Strelitz und die war – so vermuten zumindest einige Forscher – schwarz. Außerdem regierte sie ohne ihren Mann. König George war durch eine vermutlich psychische Erkrankung nicht mehr regierungs- und vorzeigefähig.

Das Szenario mit der schwarzen Königin veranlasste Serienproduzentin Shona Rhimes (unter anderem verantwortlich für „Grey‘s Anantomy“) dazu, auch andere hochwohlgeborene Rollen mit schwarzen Schauspielerinnen und Schauspielern zu besetzen. Drehbuchautor Chris Van Dusen erklärte in einem Interview, sie hätten einfach die Frage gestellt: „Was wäre, wenn diese Königin ihre Macht genutzt hätte, um andere schwarze Menschen in der Gesellschaft aufzuwerten? Und da kam der fiktionale Teil ins Spiel.“ Abgesehen davon, dass mit Rassismus und Macht völlig unzulänglich umgegangen wird (irgendwann in Folge sieben wird kurz erklärt, dass allein die Liebe von George zu Charlotte dafür gesorgt habe, dass Schwarze auch Machtpositionen innehaben und so „aus zwei Gesellschaften eine gemacht wurden“), scheint Rassismus für die Macherinnen und Macher der Serie auch das einzige Problem zu sein, das es zu lösen gibt.

Es ist schade, dass sie nicht auch die Frage gestellt haben, was gewesen wäre, wenn Königin Charlotte ihre Macht genutzt hätte, um Frauen gleichzustellen, wenigstens ein bisschen.

Denn dann wäre dieser fürchterliche Jane-Austen-Albtraum vielleicht nicht ganz so ein frauenfeindliches Desaster geworden, bei dem man, wie bei einem Autounfall, nicht ganz weggucken kann. So bleibt die Ballsaison eine einfache Fleischbeschau, die Jagd nach dem passenden Ehemann einzige Aufgabe für die jungen Frauen, die daran teilnehmen.

Schon das Gerücht über einen vorehelichen Kuss einer Frau kann ganze Familien zerstören (unter anderem, weil danach auch keine andere Tochter mehr einen respektablen Ehemann finden wird). Dem verliebten kleinen Bruder wird währenddessen vom älteren mit auf den Weg gegeben, dass man ihn besser mit ins Bordell hätte mitnehmen sollen, denn „das passiert, wenn sich Männer nicht die Hörner abstoßen“.

In der ganzen Vielfalt, auf den die Macherinnen und Macher der Serie so stolz sind, kommt übrigens genau eine Frau vor, die ein paar Kilo mehr wiegt, und da wird sich dem Bodyshaming schamlos hingegeben. Die wird nie einen abkriegen. Außer, sie macht ‚ne strenge Diät.

Ansonsten sind die Frauen unerbittliche Konkurrentinnen, aus der einen macht die Königin das „Juwel der Saison“, andere sind dagegen inszeniert wie die bösen Stiefschwestern aus „Aschenputtel“. Wenn die Serie nicht so ein tragisches Frauenbild transportieren würde, könnte man sich totlachen.

Auch ansonsten bleibt „Bridgerton“ in frauenfeindlichen Klischees verhaftet. Wenn sie sich zur Wehr setzen wollen, machen sie das, „was Frauen tun. Wir erzählen es weiter“, als wäre das Verbreiten von Gerüchten tatsächlich Lebensinhalt und -elixier von Frauen. Die einzige, die wirklich keine Lust auf Heirat hat und lieber an die Uni möchte, wird milde belächelt, sie ist ja auch erst im nächsten Jahr dran mit Debütieren. Ihre vermeintliche Mitstreiterin ist die mit den Kilos, aber für sie ist die Ablehnung der Ehe nur aufgesetzter Selbstschutz.

Ansonsten bleibt den Müttern, aufgeregt herumzulaufen, während ihre Töchter mit devot gesenkten Augen und Tanzkärtchen am Arm auf den Bällen darauf warten, dass eine gute Partie auf sie aufmerksam wird. Vielleicht ist es ja sogar ein schwarzer Prinz.

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"Hauptsache Vielfalt", UZ vom 12. März 2021



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