Wir wollen eine
Schule für alle
Warum die DKP das Volksbegehren „G-9-jetzt“ nicht unterstützt
„Im Ländervergleich (der Bildungsausgaben hat NRW) die rote Laterne bei den Aufwendungen mit nur 5 700 Euro pro Schüler im Jahr. Die Verkürzung der Schulzeit mit der Einführung des G8 im Jahre 2005 von 13 auf 12 Jahre am Gymnasium hatte vor allem Kostengründe. (…)
Gegenwärtig wirbt die Initiative g9-jetzt.nrw.de, hinter der vor allem die Elternschaften der Gymnasien stehen, für ein G9-Volksbegehren – also für die Rücknahme der Verkürzung auf acht Jahre (G8) und die Rückkehr zur neunjährigen Schulzeit auf dem Gymnasium. (…)
Wir teilen die grundsätzliche Absicht des Volksbegehrens wieder zu einem Abitur nach 13 Jahren zu kommen, denn mit der Verkürzung der Schulzeit war und ist Bildungsabbau und deutlich mehr Stress für die Kinder verbunden. Bis hinein in die Grundschulen hat sich die damalige Änderung des Schulgesetzes auf die Gestaltung der Lehrpläne ausgewirkt.
Jedoch enthält der von der Initiative vorgelegte Gesetzesvorschlag Änderungen, welche sich verschärfend auf die Situation der anderen Schulformen auswirken. Der Gesetzentwurf sieht ohne Not Unterrichtskürzungen auch an den Gesamt- und sonstigen Ganztagsschulen vor, inklusive der damit verbundenen Reduzierung der Stellen der LehrerInnen. Das kritisiert die Landeselternschaft der integrierten Schulen in NRW sowie die Landesschülervertretung (LSV). Nicht nur Gesamtschulen würden damit benachteiligt. Die Initiatoren des Begehrens favorisieren eindeutig Halbtagsschulen, die jedoch einer Rhythmisierung des Unterrichtes entgegen stehen.
Zusammen mit der tradierten Mehrgliedrigkeit unseres Schulsystems führen die weiterhin bestehenden Sparmaßnahmen zur Verschärfung der sozialen Selektion, also dazu, dass Schulerfolg vom Geldbeutel der Eltern abhängt. Dagegen spricht sich die DKP aus und unterstützt deshalb das Begehren nicht. Wir wollen eine Schule für alle.
Aus einer Erklärung der DKP-Bezirke Rheinland- und Ruhr-Westfalen
Die polemische Debatte um die innere Sicherheit bestimmt zurzeit den Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen, dennoch bleibt die Schulpolitik ein zentrales Feld der Auseinandersetzung. Wie soll es auch anders sein, wenn über zweieinhalb Millionen Schülerinnen und Schüler an fast 6 000 Schulen von annähernd 200 000 Lehrkräften unterrichtet werden. Mit den betroffenen Eltern sind es dann rund ein Drittel der Einwohnerschaft von NRW, bei dem ein verstärktes Interesse an Fragen rund um die Schule vorausgesetzt werden kann.
Besondere Wellen – für ein Volksbegehren werden Unterschriften gesammelt – schlägt im Moment die Auseinandersetzung um G8 oder G9, also die Frage, ob die Schulzeit von der Grundschule bis zum Abitur acht oder neun Jahre betragen soll. Die CDU/FDP-Landesregierung (2005–2010) hatte den verkürzten Weg zum Abitur eingeführt und damit den Forderungen aus dem Unternehmerlager nachgegeben. Den Unternehmern ging es darum, dass die jungen Menschen als – zunächst billigere – Arbeitskräfte so früh wie möglich zur Verfügung stehen sollten.
Diesem Ansinnen fühlt sich offensichtlich auch die jetzige Landesregierung aus SPD und Grünen verpflichtet, die von Anfang an einen Schlingerkurs in der Frage G8 oder G9 gefahren hat. Am Anfang hatte man den Kommunen für kurze Zeit freigestellt, welche Form an „ihren“ Schulen gelten sollte. Inzwischen gehen die Regierungsparteien mit unterschiedlichen Vorschlägen in den Wahlkampf. Die SPD will ein „flexibles“ zehntes Schuljahr, in dem die SchülerInnen sich für 12 oder 13 Jahre entscheiden. 12 hieße zusätzliche Kurse, 13 ein zusätzliches Vertiefungsjahr – alles klar?
Die Grünen mit ihrer amtierenden Schulministerin Sylvia Löhrmann an der Spitze wollen eine „individuelle flexible Lernzeit“. Die Sekundarstufe I soll bis zum Ende der 9. oder 10. Klasse dauern, je nach individuellem Lernfortschritt, dann folgen drei Jahre bis zum Abitur – einfacher geht‘s nicht, oder?
Angesichts dieses Chaos ist ausnahmsweise dem NRW-Vorsitzenden des eher konservativen Philologenverbandes, Florian Silbernagel zuzustimmen, der eine klare politische Vorgabe – acht oder neun – fordert, da verschiedene Konzeptionen nicht nebeneinander bestehen könnten; zum einen aus didaktischen Gründen, zum anderen weil konkurrierende Formen „zu nie endenden Diskussionen innerhalb der Schulen“ führen würden.
Genau diese Vorgabe – nämlich die Rückkehr zu G9 – fordern u. a. die DKP, die Partei „Die Linke“ und die LandesschülerInnen-Vertretung, während die Gewerkschaften mit der GEW an der Spitze „die sechsjährige Sekundarstufe I an allen Schulformen, die Vergabe aller Abschlüsse der Sekundarstufe I auch am Gymnasium und eine Reform der gymnasialen Oberstufe, die zwei, drei oder vier Jahre umfassen kann,“ wollen. Keine der vorgenannten Organisationen unterstützt aber das von Bürgerinitiativen angestoßene Volksbegehren „G-9-jetzt“, in dem diese im Lande sicher mehrheitsfähige Forderung mit der Rückkehr zum alten Halbtags-Gymnasium verbunden ist. Das schließt eine Absage an die Inklusion, die Forderung nach der Ganztagsschule und das Projekt „Eine Schule für alle“ ein. Und zementiert das Bildungsprivileg, das auch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in ihrer ersten Regierungserklärung beklagt hatte. Damals forderte sie, dass der Bildungserfolg nicht mehr vom Geldbeutel der Eltern abhängen dürfe.
Beim nächsten Regierungsantritt zwei Jahre später verkündete sie stolz, dass NRW für Bildung mehr tue als alle anderen Länder in Deutschland: „42 Prozent aller Ausgaben in unserem Haushalt investieren wir im Bildungsbereich. Der Durchschnitt der anderen Flächenländer im Westen liegt bei 38,6 Prozent, der im Osten bei 33,8 Prozent.“ Warum das eine Milchmädchenrechnung ist, deckt das Arbeitsprogramm 2015/16 der Landesschülervertretung auf. Da steht zu lesen, dass die NRW-Kommunen, die weitgehend für die Schulen zuständig sind, statt 21 Prozent in 2004, in 2014 nur noch 9 Prozent ihrer Ausgaben für Bildung aufwenden.
G8 hin, G9 her: die Schulen sind chronisch unterfinanziert, es herrscht Lehrermangel; die Fragen der Inklusion, der Bildungsgerechtigkeit, der Ganztagsschule sind ungelöst. Schulsozialarbeit ist vielerorts noch ein Fremdwort. Die Integration der Flüchtlingskinder steht nur auf dem Papier. Eine vernichtende Bilanz nach sieben Jahren Regierung. Manches wurde angestoßen, nichts konsequent zu Ende geführt.