Zum Umfragehoch der AfD

Hauptfeind im Blick halten

Nach zwei Umfragen, die die „Alternative für Deutschland“ (AfD) bei 18 beziehungsweise 19 Prozent und jeweils gleichauf mit der Kanzlerpartei SPD sehen, herrscht Aufregung im parlamentarischen Politikbetrieb.

Die AfD ist der Partei gewordene ehemalige Stahlhelmflügel der CDU und für den Fall einer Erstarkung der Linken der Knüppel im Schrank der Herrschenden. Aber sind diese knapp 20 Prozent wirklich der Weckruf zum Zusammenschluss aller „demokratischen Kräfte“ gegen die AfD? Einige Linke befürworten das und in einigen Städten tauchen jetzt Plakate auf, die darauf hinweisen, dass Herr Höcke ein Nazi ist. Sie werden dem Aufstieg dieses Mannes und seiner Partei wenig schaden. Sie lenken aber ab von den Haupttreibern der gegenwärtigen Rechtsentwicklung. Das sind eben nicht „Nazis“, die eine Mitte-Links-Koalition vor sich hertreiben. Der Hauptfeind, der im Blick bleiben muss, wirkt in den Regierungssitzen des G7-Blocks selbst. Dort wird gegenwärtig kalt und berechnend eine Politik der Re-Kolonisierung dieser Welt betrieben. Sie führt zur massivsten militärischen Aufrüstung seit 1945, die durch Massen-Wohlstandsverlust auch der eigenen Bevölkerung finanziert wird. Diese Kräfte leiten den großen Krieg gegen China und Russland ein. Sie verlangen hierzulande dazu auch noch zynisch ein Zusammenstehen aller anderen mit ihnen gegen die AfD. Es wäre völlig absurd, in der jetzigen Lage mit Frau Baerbock und ihren Parteifreunden, die laut die Kriegstrommel schlagen, gegen eine Partei zu demonstrieren, die von der Unzufriedenheit mit den Folgen dieses Kriegskurses profitiert. Auch hinsichtlich der zweiten Haupttriebkraft ihrer Massenresonanz ist mit Brecht zu fragen: Wer ist der größere Verbrecher – derjenige, der zum Beispiel durch die Sanktionen des Wertewestens gegen Syrien Millionen zur Massenflucht zwingt oder derjenige, der den daraufhin entstehenden Unmut der Einheimischen auf die eigenen rassistischen Mühlen lenkt?

Es bleibt dabei: Der Hauptfeind steht im eigenen Land – aber nicht an dessen parlamentarischem Rand, sondern in seinem politischen Zentrum. Dort wird dieser Kurs auf Krieg und Elend auch deshalb so ungestört exekutiert, weil die revolutionäre Linke seit der Konterrevolution 1989 so eingeschüchtert und schwach ist. Die da oben brauchen zur Durchsetzung ihres Kurses die AfD gegenwärtig nicht. Um es angesichts des nahenden 50. Jahrestages am 11. September so auszudrücken: In Chile mussten die von der CIA angeleiteten Schlächter zur Durchsetzung des sogenannten Neoliberalismus als aktuell reaktionärster Variante des Kapitalismus noch einen Präsidenten sowie zehntausende seiner Anhänger töten. Sie brachen dem beliebtesten Gitarristen des Landes die Finger, bevor sie auch ihn ermordeten. Dasselbe ökonomische Massenverelendungsprogramm konnten die Friedmans anschließend in England, den USA, Deutschland und anderswo auch ohne offenen Terror durchsetzen. Dies hat sich bis heute nicht geändert – und das ist eine andere Lage als 1932, in der die KPD Massenpartei war.

Der Ruf nach „antifaschistischen“ Bündnissen gegen die AfD spielt eine ähnliche Rolle wie der Missbrauch des antifaschistischen Vermächtnisses von Buchenwald zur ideologischen Rechtfertigung der Luftangriffe gegen Jugoslawien im Jahre 1999. Hinter solchen Nebelwänden vollzieht sich das eigentliche Verbrechen.

Nicht die Herstellung „breiter Bündnisse“ mit den Kriegstreibern steht auf der Tagesordnung, sondern die Stärkung der Kräfte, die sich gegen die NATO, für Frieden mit Russland und China, für Heizung und Brot einsetzt – also der Friedensbewegung und der kommunistischen Partei dieses Landes.

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"Hauptfeind im Blick halten", UZ vom 9. Juni 2023



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