Lula da Silva kehrt in Brasiliens Präsidentenamt zurück

Hass und Gewalt abgewählt

Der Wahlabend in Brasilien war nervenaufreibend. Nach Schließung der Wahllokale hatte der ultrarechte Amtsinhaber Jair Bolsonaro in den von der Wahlbehörde TSE veröffentlichten Zwischenständen lange vorne gelegen, auch wenn sein Vorsprung stetig geringer wurde. Erst nach Auszählung von rund zwei Dritteln der Stimmen konnte Luiz Inácio Lula da Silva, der Kandidat der Arbeiterpartei (PT) und der Linken, am bisherigen Staatschef vorbeiziehen. Am Ende entfielen auf ihn 60,3 Millionen Stimmen. Das entspricht 50,9 Prozent und sind 2,1 Millionen Stimmen mehr als für Bolsonaro abgegeben wurden.

Ein Vorsprung von zwei Millionen bei insgesamt über 124 Millionen abgegebenen Stimmen zeigt, wie knapp das Rennen am Ende ausgegangen ist. Trotz einer verheerenden Bilanz seiner Amtszeit konnte Bolsonaro mit einem auf Antikommunismus und evangelikalen Fundamentalismus setzenden Wahlkampf vor allem in den großen Städten mobilisieren und gewinnen. „Ich will ein christliches und kein kommunistisches Brasilien“, wurde im „ZDF“ eine Bolsonaro-Anhängerin zitiert, die zugleich vor „Gender-Ideologie“ und Ähnlichem warnte. Im Parlament und in vielen Bundesstaaten haben diese Kräfte die Mehrheit, das Regieren wird für Lula nicht einfach werden.

Hinter dem ehemaligen Metallarbeiter und Gewerkschafter, der Brasilien bereits von 2003 bis 2010 zwei Amtszeiten lang regiert hat, steht die gesamte Linke: kommunistische und sozialistische Parteien, Gewerkschaften, Menschenrechtsorganisationen, die Bewegung der Landlosen, indigene Vereinigungen, Umweltschützer. Zugleich brauchte Lula jedoch in der Stichwahl auch die Unterstützung zentristischer Kräfte, die zwar nichts von einer progressiven Politik halten, aber von Bolsonaro noch mehr abgestoßen waren. Sie werden versuchen, grundlegende Reformen im Interesse der breiten Bevölkerungsmehrheit zu verhindern oder zumindest zu verwässern. Die politische Gesamtlage wird ihnen dabei helfen.

Luciana Santos, die Vorsitzende der Kommunistischen Partei Brasiliens (PCdoB), begrüßte am Wahlabend in einer ersten Stellungnahme den „Festtag der Demokratie“. Brasilien werde „wieder glücklich sein“; das Volk habe Lula wieder zum Präsidenten gewählt, „damit wir Frieden haben, in Würde leben und etwas zu essen auf dem Teller haben“. Das Ergebnis sei ein „Nein zum Rückschritt, zum Autoritarismus, zum Hass und zur Gewalt“. Die Mehrheit der Bevölkerung habe deutlich gemacht, dass sie nicht länger in einem geteilten und perspektivlosen Land leben wolle. Mit Blick auf die von Bolsonaro geschürte Spaltung des Landes betonte Santos, dass Lula der Präsident aller Brasilianerinnen und Brasilianer sein werde. „Möge es das Ende der Angriffe auf den demokratischen Rechtsstaat sein – und der Beginn einer guten Zeit.“

Während die PCdoB schon lange eng mit Lulas PT verbündet ist und ihn auch in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am 3. Oktober aktiv unterstützt hatte, war die kleinere Brasilianische Kommunistische Partei (PCB) im ersten Wahlgang mit einer eigenen Kandidatin, Sofia Manzano, angetreten. Sie erreichte 45.615 Stimmen und 0,04 Prozent. Für die Stichwahl sprach sich die PCB eindeutig für Lula aus, um Bolsonaro zu besiegen, und mobilisierte aktiv in ihren Medien für eine entsprechende Stimmabgabe. Eine Stellungnahme zum Ausgang der Wahlen lag von ihr zunächst nicht vor.

Glückwünsche an den Wahlsieger kamen prompt aus aller Welt. Zu den ersten Gratulanten gehörte Kubas Präsident. Miguel Díaz-Canel schrieb über Twitter an den „lieben Genossen“: „Sie haben deinen Sieg mit widerwärtigen Methoden verzögert, aber sie konnten nicht verhindern, dass du mit der Stimme des Volkes siegen würdest. Mit Lula und der PT wird die soziale Gerechtigkeit zurückkehren!“ Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro schloss sich den Glückwünschen an: „Hoch leben die Völker, die sich entschlossen haben, frei, souverän und unabhängig zu sein! Heute hat in Brasilien die Demokratie gewonnen.“ Und auch US-Präsident Joseph Biden twitterte: „Ich habe Luiz Iná­cio Lula da Silva meine Glückwünsche zu seiner Wahl zum nächsten Präsidenten Brasiliens nach freien, fairen und glaubwürdigen Wahlen übermittelt.“

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"Hass und Gewalt abgewählt", UZ vom 4. November 2022



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