Druckmittel gegen Belegschaften: Arbeitsuchende werden massenhaft in ALG 2 gedrängt

Hartz IV wirkt in die Betriebe

Die arbeitenden Menschen werden die Zeche für die kapitalistische Krise zahlen. Wer dies als Schwarzmalerei der Gewerkschaften oder gar kommunistische Propaganda abtut, sollte einen Blick auf die aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit werfen.

Von Mai 2020 bis April 2021 sind 888.185 Arbeitsuchende aus der Arbeitslosenversicherung gefallen und jetzt von kärglichen Hartz-IV-Regelsätzen abhängig. Das sind 56,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahl der bei den Jobcentern gemeldeten Langzeitarbeitslosen ist allein von Februar bis April dieses Jahres um 71.364 auf 921.157 angestiegen und wächst beständig weiter. Im März 2021 waren 82.068 Erwerbslose in den Agenturen für Arbeit bereits länger als 10 Monate arbeitslos gemeldet. Im April kamen noch einmal 58.768 hinzu.

Ihnen allen droht nach dem zwölften Monat der Erwerbslosigkeit der Wegfall des Arbeitslosengeldes und das Abrutschen in das Hartz-IV-System. Spätestens dann bekommen sie nur noch eine deutlich geringere Grundsicherung oder erhalten, wenn sie keinen Anspruch auf Hartz IV haben, gar keine Leistungen mehr.
Hier trifft die aktuelle Krise auf die Folgen der arbeitsmarktpolitischen Reformen der 2000er Jahre. Damals wurde die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes auf zwölf Monate reduziert. So wurde die Schutzfunktion der Arbeitslosenversicherung geschleift und der Kapitalseite ein wirkungsvolles Druckmittel gegenüber den Belegschaften in die Hand gegeben. Infolgedessen genügt oft schon die Androhung von Werksschließungen und Entlassungen, um Belegschaften zu erpressen und so Kapitalinteressen durchzusetzen. Die Folge sind unbezahlte Überstunden, Verzicht auf Sonderzahlungen und häufig nur moderate Lohnerhöhungen.

Mit dem Auftreten der Pandemie wurden Veränderungen vorgenommen – zumindest kurzfristig und in homöopathischen Dosen: Die Bundesregierung verlängerte im Zusammenhang mit dem Sozialschutzpaket II die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I um drei Monate für diejenigen, deren Anspruch im Jahr 2020 endete. Dies ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass die Regelung, die am 31. Dezember 2020 auslief, von den politisch Verantwortlichen nicht verlängert wurde. Begründet wurde dies mit dem durch Kurzarbeit stark belasteten Haushalt der Bundesagentur für Arbeit.

In dieser Argumentation wird aber Ursache und Wirkung verwechselt. Die aufgeführte Haushaltsbelastung ist nicht die Folge der von den Gewerkschaften geforderten Aufstockung des Kurzarbeitergeldes für die betroffenen Beschäftigten. Eine Erhöhung auf ein existenzsicherndes Niveau wurde ja bekanntlich von den politischen Entscheidern konsequent abgelehnt. Das Geld wurde schließlich dafür benötigt, der Kapitalseite deren Beiträge zum Kurzarbeitergeld in voller Höhe inklusive der Erstattung von Sozialabgaben auszuzahlen. Dies gilt auch für die Konzerne, die in der Krise gigantische Gewinne erzielen.

Während für in Kurzarbeit oder in Arbeitslosigkeit befindliche Kolleginnen und Kollegen nur unzureichende finanzielle Hilfen zur Verfügung gestellt werden, werden die Leistungen der Arbeitsagentur für die Unternehmer stetig nachgebessert beziehungsweise verlängert. Dies zieht sich wie ein roter Faden durch die Krise und ist nur ein weiteres Beispiel dafür, wie der bundesdeutsche Staat seine Aufgabe als ideeller Gesamtkapitalist wie im Lehrbuch erfüllt.

Die soziale Abwärtsspirale dreht sich an der Basis der kapitalistischen Pyramide immer schneller, während gleichzeitig an deren Spitze der Reichtum immer mehr zunimmt und sich in immer weniger Händen konzentriert.

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"Hartz IV wirkt in die Betriebe", UZ vom 28. Mai 2021



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