Handlungsfähig werden

Christoph Hentschel im Gespräch mit Tom Talsky

Tom Talsky ist Stellvertretender Kreisvorsitzender der DKP München

UZ: In den letzten Tagen sind teils langjährige Mitglieder aus der DKP ausgetreten. Doch die Auseinandersetzung läuft schon länger. Welche Bedeutung hat der 20. Parteitag von 2013 dabei?

Tom Talsky: Das hängt natürlich alles miteinander zusammen. Die DKP hatte auf dem 20. Parteitag eine klare Richtungsentscheidung getroffen, die da hieß, wir wollen die DKP als eigenständig auftretende, als klare kommunistische Kraft haben und deutlich wahrnehmbar sein. Die Wortführer in München und Südbayern bildeten dabei den Gegenpol, der vor dem 20. Parteitag noch die Mehrheit hatte. Leo Mayer, der bis vor kurzem Kreissprecher der DKP München war, war damals Stellvertretender Parteivorsitzender. Er und Bettina Jürgensen, damalige Vorsitzende der DKP, haben das Schlusswort der statutenwidrigen Bezirksdelegiertenversammlung in Südbayern mitunterschrieben, zu der nicht mal alle südbayrischen Gruppen eingeladen waren. Das war jetzt ein konsequenter Schritt von Teilen der Ausgetretenen, die schon seit Jahren die gemeinsame Debatte und die gemeinsame Aktion verhinderten. Sie haben sich damit in eine gewisse Opferrolle gestellt, weil sie die Mehrheit in der Partei verloren hatten und zur Selbstkritik anscheinend nicht fähig sind. Folglich haben sie sich an gemeinsam gefasste Beschlüsse wie die der Parteitage 2013 und 2016 nicht mehr gehalten. Die gemeinsame Arbeit vor Ort war deswegen nicht möglich, und nahezu alle Initiativen, welche wir vor Ort entwickelt hatten, wurden entweder niedergestimmt oder ignoriert. Schade ist es auf jeden Fall, dass jetzt schmerzlich viele den Schritt einfach mitgegangen sind, die nicht bereit waren zu diskutieren. Wir wollen aber jetzt nicht die Brücken abreißen und wir wissen, dass viele Mitglieder auch falsch oder unvollständig informiert wurden und teils emotionale Konstrukte aufgebaut wurden, um uns zu diffamieren.

UZ: Die Kreisdelegiertenkonferenz der DKP München hat Anfang November keinen neuen Kreisvorstand gewählt und auf ihrer Homepage einen Artikel mit dem Titel „Die DKP München ist Geschichte“ veröffentlicht. Gleichzeitig beschloss die Kreisdelegiertenkonferenz eine außerordentliche Kreismitgliederversammlung, auf der ein neuer, sechsköpfiger Kreisvorstand gewählt wurde. Wie passt das zusammen?

Tom Talsky: Wir waren auch am Anfang sehr irritiert von der Erklärung des ehemaligen Kreisvorstandes. Auf der Kreisdelegiertenkonferenz haben die beiden Kreissprecher, Leo Mayer und Kerem Schamberger, angekündigt, dass sie nicht mehr für den Kreisvorstand kandidieren werden, wie auch andere Genossinnen und Genossen aus dem Kreisvorstand. Obwohl es Kandidatinnen und Kandidaten gab, die bereit waren, zum Kreisvorstand zu kandidieren, beschloss die Mehrheit, dass sie eben keinen neuen Kreisvorstand wählen wollen. Die Begründung war, dass sie sowieso demnächst austreten und deshalb uns nicht wählen wollen. Es hieß, wir sollen uns doch bitte in zwei Wochen auf einer außerordentlichen Kreismitgliederversammlung selbst wählen. Ich glaube, diese zwei Wochen waren ihnen wichtig. Sie mussten noch möglichst viele Genossinnen und Genossen zum Austritt bewegen. Das passierte zum Teil dadurch, dass Genossinnen und Genossen zu Einzelgesprächen eingeladen und unter Druck gesetzt wurden. Teilweise haben auch Kassierer erklärt, dass alle von ihnen kassierten Mitglieder, die seit Jahren nicht mehr in der Partei aktiv waren, mitgenommen werden. Was sie aber auf der Konferenz beschließen konnten, war, dass 4 000 Euro an die „Marxistische Linke“ gespendet werden. Sie nannten es mehrfach „das Startkapital“ und begründeten den Beschluss damit, dass sie selbst Jahrzehnte lang eingezahlt hatten.

Zwei Wochen später konnten wir auf der Außerordentlichen Kreismitgliederversammlung dann einen neuen Kreisvorstand wählen. Klar wurde, dass es einen großen Teil in der DKP München gibt, die weiter in der DKP kämpfen wollen. Es herrschte auf der Kreismitgliederversammlung große Verunsicherung, wie man jetzt zukünftig mit dem Kreis München umgehen soll, wie die Gruppen weiter arbeiten können. Der neue Kreisvorstand hat deswegen vor allem die Aufgabe, die Lage zu analysieren und zu überlegen, ob und wie die Gruppen im Kreis weiterarbeiten können. Der neue Kreisvorstand ist damit erst einmal eine Übergangslösung. Wir wollen wieder dahin kommen, einen gemeinsamen Arbeitsplan im Kreis München zu haben, der im Vorfeld diskutiert wird, und dann zu beschließen. Wir wollen als Kreisorganisation wieder handlungsfähig werden.

Was dramatisch war, war die Erklärung, die DKP München hätte sich aufgelöst. Auf der Kreismitgliederversammlung berichteten mehrere Genossen, dass sie beispielsweise von Gewerkschaftskollegen darauf angesprochen wurden. Diese Außenwirkung war vermutlich gewollt, auch wenn sie mit einem Sternchen versehen war. Das hat uns aber auf jeden Fall geschadet. Die DKP muss jetzt in München daran arbeiten, das Ganze richtigzustellen. Es gibt die DKP weiter. Wir werden aktiver und gemeinsam handlungsfähiger und hoffentlich auch wieder stärker.

UZ: Deine Grundorganisation, das Betriebsaktiv, war die einzige DKP-Gruppe in München, die sich aktiv am Bundestagswahlkampf beteiligt hat. Welche Erfahrungen könnt ihr für die Restrukturierung der DKP in München nutzen?

Tom Talsky: Ja, das stimmt, wir waren die einzige Grundorganisation, die tatsächlich im Wahlkampf für die DKP aktiv geworden ist. Trotz des eigentlich mageren Ergebnisses können wir erst mal stolz sein. Wir sind als Betriebsaktiv in dieser Zeit nach außen gegangen, haben über 35 Infotische gemacht, haben tausende Briefkastensteckungen gemacht. Wir haben als DKP an einem Strang gezogen. Auch bei uns waren nicht alle Genossinnen und Genossen vom Wahlantritt überzeugt. Trotzdem haben sie sich an den gemeinsamen Beschluss gehalten und im Nachhinein diese Entscheidung als sehr positiv ausgewertet. Wichtig war, dass wir in die Stadtviertel gegangen sind. Wir waren im Hasenbergl häufig präsent. Die Orientierung auf ein sogenanntes Problemviertel war sehr gut.

Wir haben uns nicht hinter einem Bündnislogo oder einer anderen Organisation versteckt, sondern sind offen als DKP aufgetreten. Mit Antikommunismus hatten wir weniger zu kämpfen, als wir uns das vorgestellt haben. Was wir auf jeden Fall mitnehmen können, ist, dass wir dieses Schwerpunktviertel weiter nutzen wollen und zum Beispiel dort die UZ bekannter machen und im Stadtbild präsent sein wollen. Dort, wo die Arbeiter wohnen, dort müssen wir genauso sein, wie wenn wir die „Auf Draht“-Betriebszeitung vor den Betriebstoren verteilen. Wir müssen in München in der Kommunalpolitik aktiver werden, so wie es hier in München viele Genossinnen und Genossen Jahrzehnte lang mal waren.

UZ: Die Kreismitgliederversammlung beschloss eine Mitteilung, in der ihr schreibt, dass ihr die Austritte bedauert und bemüht seid, mit den Genossinnen und Genossen, die jetzt ausgetreten sind, im Gespräch zu bleiben. Was tut ihr genau?

Tom Talsky: Wir haben ganz klar gesagt, dass wir keine Brücken abreißen wollen. Wir haben den Eindruck, dass viele ausgetreten sind, weil sie keine Chance hatten, überhaupt inhaltlich mit uns zu diskutieren. Der ehemalige Kreisvorstand hat leider nicht nur behauptet, „mit denen“, also mit uns, „lohne es sich nicht, die Diskussion zu führen“, sondern er hat das zur Grundlage für die Arbeit des Kreisvorstandes gemacht. Es gab also keine gemeinsame Bildungsarbeit, keine Kreisversammlung, auf der man inhaltlich hätte diskutieren können, keine gemeinsamen Aktionen, die für einen inhaltlichen Austausch eben auch wichtig sind. Jetzt ist es unsere Aufgabe, gezielt solche Angebote zu schaffen. Wir wollen die kreisweite Bildungsarbeit wieder aufbauen. Wir wollen Angebote schaffen, bei denen der Austausch unter Genossinnen und Genossen wieder stärker wird. Wir haben festgestellt, der Bedarf dafür besteht. Auf der Kreismitgliederversammlung wurde über jedes Wort eines Antrages diskutiert und solche Diskussionen kenne ich zumindest von den letzten Kreisdelegiertenkonferenzen nicht. Die Vorbereitung des Parteitages 2018 hat im Kreis München nicht stattgefunden. Wir wollen daher den Antrag zur Handlungsorientierung zum Parteitag, mindestens auf einem Kreisabend im Januar, mit allen Genossinnen und Genossen diskutieren. Es geht darum, die Gemeinsamkeiten herauszustellen, die wir im Kreis München haben.

Die Bereitschaft ist auf unserer Seite auf jeden Fall da, mit denjenigen, die jetzt ausgetreten sind, zu diskutieren und zusammenzuarbeiten. Sie sind immer herzlich willkommen. Wir hoffen natürlich, dass sich viele Genossinnen und Genossen ihren Schritt noch mal überlegen und vielleicht zurückkehren in die Partei. Das kann aber nur gelingen, wenn wir als DKP wieder stärker werden und überzeugende Argumente bieten, warum die DKP der Ort für Kommunistinnen und Kommunisten in München ist.

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"Handlungsfähig werden", UZ vom 1. Dezember 2017



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