Anno 2018, in seinem zweiten Regierungsjahr, verhängte Donald Trump Einfuhrzölle von 25 Prozent auf Stahl und von 10 Prozent auf Aluminium. Die EU-Länder jammerten und beklagten den protektionistischen Kurs des damaligen US-Präsidenten. Das war die Zeit, als Angela Merkel sich zusammen mit anderen EU-Regierungschefs und zusammen mit dem chinesischen Präsidenten und Generalsekretär der KP Chinas Xi Jinping als Verteidiger des weltweiten Freihandels hervortaten. Die damaligen Verhandlungen der EU mit der US-Regierung brachten nichts und obwohl die EU damals Gegenzölle auf einige US-Produkte, etwa Motorräder der Firma Harley-Davidson und Bourbon-Whiskey, verhängten, traten die satten Zölle auf Stahl und Aluminium in Kraft.
Trumps Nachfolger, Joe Biden, bestätigte zunächst die Hoffnung der Westeuropäer, dass er einen weniger protektionistischen Kurs verfolgen würde, und setzte die Zölle im Oktober 2021 zwei Jahre lang aus. Die zwei Jahre sollten genutzt werden, um darüber erneut zu verhandeln. Die US-Seite verfolgte das Ziel, dass die EU und die USA gemeinsam einen Einfuhrzoll von 25 Prozent auf Stahl erheben und so einen „Stahlklub“ bilden sollten, der dann auch für andere Länder, etwa Britannien, Kanada und Japan offen wäre. Ein solches Abkommen würde sich gegen China richten, das heute mit einer Kapazität von etwa einer Milliarde Tonnen jährlich etwa die Hälfte des weltweiten Stahlbedarfs abdeckt.
Obwohl die EU damit im Prinzip und der Stoßrichtung gegen chinesischen Stahl einverstanden war, beharrte die Verhandlungsdelegation in Washington, mit Kommissionspräsidentin von der Leyen und Handelskommissar Valdis Dombrovskis an der Spitze, darauf, keine festen Zollsätze zu vereinbaren, sondern nach den üblichen Regeln der Welthandelsorganisation vorzugehen. Solche Verfahren dauern lang, und es ist unsicher, ob sie überhaupt abgeschlossen werden. Das war den USA zu vage. Ende vergangener Woche scheiterten damit die Verhandlungen. Ab Januar 2024 werden Trumps Zölle also wieder erhoben.
Ein Blick auf einen Nebenschauplatz: Zur Eröffnung des 25. Gewerkschaftstages der IG Metall am Sonntag durfte Wirtschaftsminister Robert Habeck seinen „Brückenstrompreis“ bewerben, wonach der besonders viel Strom verbrauchenden Industrie (darunter Stahl- und Aluminiumproduktion) ein staatlich heruntersubventionierter Strompreis geboten werden soll. Die Führung der IG Metall brauchte davon nicht überzeugt zu werden. Die auf dem Kongress noch zu wählende künftige IG-Metall-Vorsitzende Christiane Benner sagte, „Wir erwarten“ von Bundeskanzler Olaf Scholz „eine positive Zusage zum Brückenstrompreis“. Welch wunderbares, unrealistisch anmutendes Projekt: Wenn es in fünf oder zehn Jahren dank eines unerhörten Aufschwungs des aus erneuerbaren Energien produzierten Stroms ein sattes Überangebot an Strom mit sinkenden Preisen gibt, wird alles wieder gut. Die aus dem Boykott russischen Öls und Gases herbeigeführte Knappheit mit extrem hohen Preisen verschwindet und die Staatssubvention für Großverbraucher von Elektrizität wird wieder abgebaut.
Man sollte sich die Sache aus Sicht der verarbeitenden Industrie ansehen, beispielsweise der Autoproduzenten. Autos werden auch in Zeiten der E-Autos vorwiegend aus Stahl, Plastik und Aluminium gefertigt. Da spielt es schon eine Rolle, wie teuer der Preis dieser Rohstoffe ist. Habeck und die IG Metall haben bisher mit ihrem Vorschlag einer Brückensubvention für einheimische Stahl- und Aluminiumerzeugung in der Breite des deutschen Industriekapitals keinen Anklang gefunden. Deren Kalkül nach ist es vorzuziehen, dass chinesischer Stahl und andere Rohwaren zu niedrigen Preisen in der EU angeboten werden. Das erklärt, warum die EU das von Washington gewünschte Chinaabwehrkartell zunächst abgelehnt hat.