Bei Redaktionsschluss dieser Zeitung wurde bei VW noch verhandelt, ein Ergebnis lag nicht vor. Die Signale aus dem Vorfeld und das, was während der Gespräche in einem Hannoverschen Hotel nach außen drang, klangen aber nicht danach, dass auf diesem Wege Lohnkürzungen abgewendet und Arbeitsplätze gesichert würden. Das waren keine guten Nachrichten für die weit über 100.000 Familien, deren Zukunft von VW abhängt.
Hineingegangen ist die IG Metall in die Gespräche mit einer Gehaltsforderung von 7 Prozent – das hätte knapp gereicht, um wenigstens die Reallohnverluste aus der politisch gemachten Wirtschaftskriegs-Inflation der vergangenen drei Jahre auszugleichen. Von der Unternehmensspitze kamen wüste Drohungen. Die Gehälter sollten pauschal um 10 Prozent gekürzt und ganze Werke geschlossen werden, hieß es. Gewerkschaft und Betriebsrat wichen zurück und boten von sich aus einen Verzicht auf Boni-Zahlungen an sowie eine Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich – in einem Gesamtumfang von 1,5 Milliarden Euro.
Der VW-Vorstand dankte es ihnen nicht. Warum auch? Es ist zu befürchten, dass am Schluss ein dreckiger Kompromiss steht. Dieser wird für die Beschäftigten bedeuten, dass sie im nächsten Jahr weniger Geld in der Tasche haben. Auf dem Papier werden dann vielleicht alle Werke erhalten bleiben, aber manche davon mit der Perspektive, zu einer um einige Restabteilungen erweiterten Pförtnerloge mit großem VW-Leuchtsignal darüber zu werden.
Sollte es so kommen, dann deshalb, weil die Führung der nach wie vor wichtigsten Industriegewerkschaft dieses Landes in den letzten Jahrzehnten eine zentrale Erkenntnis verdrängt hat: Als von den 1950er bis in die 1970er Jahre Gehaltserhöhungen, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Arbeitszeitreduzierungen erkämpft wurden, wäre niemand auf den Gedanken gekommen, während der Verhandlungen den Streikdruck von der Gegenseite zu nehmen. Inzwischen scheint es zu einer absurden Selbstverständlichkeit geworden zu sein, entweder zu verhandeln oder zu streiken – von eher symbolischen verlängerten Mittagspausen mal abgesehen. Das aber ähnelt einem Fahren mit angezogener Handbremse. Um vorwärtszukommen, muss diese Handbremse gelöst werden – bei VW, bei Ford, bei Bosch und anderswo.