Wie Deutschland an die Weltspitze kommt

Halbleiter aus Magdeburg

Kolumne

In Magdeburg errichtet die US-Firma Intel zwei Halbleiterfabriken, die in Magdeburg ab 2027 die Produktion von Mikrochips aufnehmen sollen. Kostenpunkt etwa 30 Milliarden Euro. Wenn das mal keine gute Nachricht ist. Denn wir haben ja gesehen, was geschehen kann, wenn der Chinese (der vom Festland oder der von der Insel Taiwan) nicht rechtzeitig die Chips (oder auch Halbleiter) liefert, die VW, Daimler und BMW für ihre Auto-Spitzenerzeugnisse dringend brauchen. Denn Halbleiter sind das Kernprodukt der gegenwärtigen dritten industriellen Revolution. Ohne Halbleiter keine technologisch führende Industrieproduktion. Zwei Drittel der weltweiten Halbleiterproduktion finden in Ostasien statt (Taiwan, das übrige China, Südkorea, Japan). Die größten Konzerne, die die Dinger produzieren, sind Samsung (Südkorea), TSMC (Taiwan) und Intel (USA). Intel wurde nun von der deutschen politischen Führung an die Elbe gelockt. Mit ganz einfachen Mitteln, die sich schon oft bewährt haben: Viel Geld. Ein Drittel der Großinvestition, also 10 Milliarden Euro, zahlt der Bund. Damit wird, wie die Presse jubelnd feststellt, das Projekt in Sachsen-Anhalt zur größten ausländischen Direktinvestition in der deutschen Geschichte. Und unser Kanzler prognostiziert wie immer sachlich, dass die Investition in Magdeburg „Deutschland technologisch an die Weltspitze bringen wird“.

Schon in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts fand ein technologisches Wettrennen in der Mikroelektronik statt. Es ging darum, wer am schnellsten die kleinsten Speicherchips produzieren konnte. In Deutschland (West) gab es einen prominenten Akteur, die Siemens AG. Siemens hatte als Produzent von Telefonen und Schaltanlagen für den Telefonbetreiber, die staatliche Bundespost, ein Monopol, machte damit sehr gute Gewinne und verdiente nebenbei satt mit dem Bau von Atomkraftwerken. Der Konzern baute auch Groß- und Kleincomputer, ähnlich wie der Weltmarktführer auf diesem Gebiet, die US-Firma IBM (International Business Machines), die in dieser Zeit viele Jahre lang unangefochten das an der Börse bei weitem teuerste Unternehmen war.

Die Zeitungen stellten es in jener Zeit als ungeheuren Wettstreit zwischen Deutschland (Siemens), USA (IBM und Intel) und Japan (Toshiba) dar, den ersten 1-Megabit-Speicherchip zu produzieren. Nur wer in der Lage sei, diese Chips massenhaft herzustellen, könne im internationalen Wettbewerb mithalten, wurde eifrig analysiert. Nur der könne den technologischen Fortschritt für sich nutzen. Alle anderen würden endgültig zurückbleiben. Richtig daran ist, dass die Kapitalisten, die einen Produktivitätsfortschritt vor den anderen einführen, eine Weile lang einen Extraprofit einfahren, weil sie Monopolpreise für ein neues Produkt nehmen können. Die Aussicht auf diesen Extraprofit trieb auch damals die Konzerne in den Megachip-Wettlauf. Zugleich wurde von Politikern, professionellen Ökonomen und Journalisten mit Verve die These vertreten, die Entwicklung der jeweiligen Volkswirtschaft hänge vom Ausgang des Wettrennens ab.

Das Rennen damals schienen zunächst die USA gewonnen zu haben mit der Aufnahme der Massenproduktion von Megabit-Chips 1986. Noch schneller waren Toshiba und andere japanische Konzerne, die damals ob ihrer rasanten Entwicklung der Schrecken der Kapitalisten der restlichen Welt waren. Und das Ergebnis? Japan geriet Ende 1989 in eine Finanz- und Wirtschaftskrise, von der das Land sich bis heute nicht erholt hat. IBM spielt an der Börse nur noch in der zweite Liga. Siemens hat sich vom Computer-, Telefon- und Atomkraftwerkgeschäft getrennt. Die Theorie vom alles entscheidenden technologischen Wettlauf wird heute als EU im Kampf mit USA und China aufgewärmt.

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"Halbleiter aus Magdeburg", UZ vom 25. August 2023



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