Libyen wird immer mehr zum Spielball unterschiedlicher Interessen

Haftar – Der starke Mann im Osten

Von Nina Hager

Am Montag dieser Woche trafen sich in Paris Staats- und Regierungschefs führender EU-Staaten mit den Vertretern des Tschad, des Niger und der Übergangsregierung Libyens. General Chalifa Haftar war nicht eingeladen. Er und seine Libysche Nationalarmee (LNA) kontrollieren den Osten Libyens und weitere Teile des Landes, sie stehen auf der Seite des gewählten „Tobruk-Parlaments“. Um Haftar bemüht sich derzeit sogar die US-Regierung. Vermutlich lud Macron Haftar nicht ein, um seine italienischen EU-Partner nicht zu verärgern, die auf die Übergangsregierung aus Tripolis setzen, und weil der französische Präsident beim Flüchtlingsgipfel in Paris einen Erfolg verbuchen wollte.

Macron scheint der Meinung zu sein, dass es ohne Haftar keine Stabilisierung der Lage im Land geben wird. Entsprechend muss er in Verhandlungen eingebunden werden. Von Libyen ausgehend kann Frankreich aber vor allem seine strategischen Interessen besser verfolgen, meint der italienische Journalist Giovanni Fasanella: „So ist Uran aus dem Niger und dem Tschad für Frankreich von extremer Wichtigkeit – bedenken Sie, dass Frankreich rund 75 Prozent seines Strombedarfs aus Atomkraft deckt“, erklärte er in einem Interview gegenüber den „Deutschen Wirtschaftsnachrichten“. Außerdem gehe es für Frankreich um die „nationale Sicherheit“. Italien – neben Frankreich und Großbritannien einst Kolonialmacht in Libyen – hat vor allem Interesse am „Öl in Tripolitanien, wo der italienische Mineralölkonzern Eni vertreten ist“. Tripolitanien mit der Hauptstadt Tripolis, in der die Übergangsregierung des Landes sitzt, ist eine der drei historischen Großprovinzen des Landes.

Wer ist dieser General Haftar? Zunächst einmal: Er gilt als „strong man“, als harter Kerl. Und er hat eine bewegte Vergangenheit: Er war Offizier unter Gaddafi. 1969 beteiligte er sich an dessen erfolgreichem Aufstand gegen König Idris von Libyen. machte danach Karriere. Ende der 80er Jahre war er erfolglos als Kommandeur im Krieg gegen den Tschad. 1987 setzte er sich in die USA ab. Dort lebte er über 20 Jahre offenbar nicht weit von Langley, dem CIA-Hauptquartier, war 1996 an einem gescheiterten Putschversuch gegen Gaddafi beteiligt. Nach dessen Sturz 2011 sollte er die Streitkräfte seines Landes neu organisieren, wurde aber bald abgesetzt. Aus den ihm treu bleibenden Truppen – darunter Luftwaffe und Spezialeinheiten –, die vor allem gegen islamistische Milizen sowie auch die des IS und al-Kaida um die Macht im Land kämpften und kämpfen, entstand zunächst die Libysche Nationale Befreiungsarmee. Am 2. März 2015 berief ihn das Repräsentantenhaus in Tobruk, also das im Ostteil des Landes, zum Oberbefehlshaber der Streitkräfte Libyens, der LNA.

Die einen bezeichnen ihn inzwischen als Mann Putins, der „Spiegel“ nannte ihn gar „Putins Wüstenfuchs“. Andere sind da vorsichtiger. Spekuliert wird, ob Haftar nicht vielleicht für den CIA arbeitete und sogar noch immer arbeitet. Sicher ist, dass er und seine LNA sowie Regierung und Parlament im Ostteil des Landes die Unterstützung Ägyptens und der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben. Offenbar erhalten Haftars Truppen von beiden Waffen und von der VAE auch Flugzeuge, trotz des 2011 von der UNO verhängten Waffenembargos gegen Libyen, von dem nur die international anerkannte Übergangsregierung in Tripolis ausgenommen ist. Haftar hofft, dass Russland jetzt vor allem dazu beitragen wird, dass das Embargo ganz aufgehoben wird. Im Juli resümierte er nach seiner dritten Russlandreise laut „Russia Today“ vom 16. August: „Russland sagte, dass es sein Bestes tun wird, um uns zu helfen.“ Und etwas kryptisch erklärte er: „Russland versucht, geeignete Lösungen zu finden, um uns alles zu geben, was wir zur richtigen Zeit brauchen.“

Sicher ist auch, dass Haftar nach weiteren Verbündeten sucht und sie – nicht nur in Macron – findet. Er traf sich unter anderem im Juli in Benghasi mit dem Chef von AFRICOM, dem US-General Thomas Waldhauser. Zuvor hatte er bereits ein Treffen mit dem US-Botschafter für Libyen, Peter Bodde, in Amman (Jordanien). CNN hatte kurz zuvor, am 10. Juli, darüber berichtet, dass die US-Regierung unter Präsident Trump nach einem neuen Ansatz in der Libyen-Politik des Landes suche. Unter der Obama-Regierung hatten sich die USA auf die Zusammenarbeit mit den Kräften im Westteil des Landes, darunter auch den islamistischen, konzentriert – vor allem aber auf die Unterstützung der Übergangsregierung in Tripolis.

Ob die USA jemals ihre Spezialeinsatzkräfte aus dem Ostteil des Landes – so angeblich nach dem Angriff auf das US-Konsulat in Bengasi im Jahr 2012 – zurückgezogen haben, ist unbekannt. Angesichts der Interessenlage auch der USA an der Region erscheint das wenig wahrscheinlich. Schon unter Obama haben die USA ihre Militärpräsenz in Afrika ausgeweitet. Man will angesichts des Zugriffs auf die Reichtümer des Kontinents wie aufgrund eigener geostrategischer Interessen vor Ort präsent sein. 2014 waren jedenfalls laut „Los Angeles Times“ mehr als 5 000 US-amerikanische Soldaten in 38 afrikanischen Ländern aktiv, unter anderem in Somalia, Libyen oder der Demokratischen Republik Kongo.

Die Bemühungen der US-Regierung auch mit General Haftar ins Gespräch zu kommen, sind jedoch umstritten. Die Libyen-Spezialisten des „American Enterprise Institute for Public Policy Research“, eines konservativen Thinktanks aus Washington D. C., warnen jedenfalls vor Haftar: Der sei als Partner für die Durchsetzung der US-Interessen weder verlässlich noch stark genug.

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"Haftar – Der starke Mann im Osten", UZ vom 1. September 2017



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