Zum Prozess gegen Julian Assange

Haft statt Charité-Bett

Vor dem zentralen Strafgericht Old Bailey in London ist nach einer monatelangen Corona-Pause das Auslieferungsverfahren gegen Julian Assange in die entscheidende Runde getreten. Schon nach den ersten Tagen lässt sich feststellen: Die Prozessbedingungen sind noch schlechter als im Februar, die Zahl der Plätze für Journalisten ist weiter eingeschränkt worden, Beobachtern wie Amnesty International und „Reporter ohne Grenzen“ wird in Gänze der Zugang verweigert. Selbst bei Verhandlungen in der autoritär regierten Türkei ist mehr Öffentlichkeit zugelassen als bei der Anhörung des Journalisten und Wikileaks-Gründers im Vereinigten Königreich.

Julian Assange kämpft in London buchstäblich um sein Leben. Er hat Kriegsverbrechen der USA in Afghanistan und im Irak enthüllt und soll dafür bitter büßen. Die USA werten die journalistische Arbeit als „Spionage“, im Fall seiner Auslieferung drohen Julian Assange dort 175 Jahre Haft. Er soll im Gefängnis verrotten, so das Ziel. Es ist ein Hohn, wenn die Bundesregierung behauptet, das Verfahren gegen Julian Assange laufe nach rechtsstaatlichen Prinzipien. Der Australier wird seit seiner Verhaftung in der Botschaft Ecuadors im April 2019 wie ein Schwerverbrecher im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh festgehalten.

Vergeblich fordern der UN-Sonderbeauftragte zum Thema Folter, Nils Melzer, und Hilfsorganisationen eine Freilassung des gesundheitlich schwer angeschlagenen Gefangenen. Julian Assange gehört lange schon in ein Krankenzimmer der Charité, doch der Dissident des Westens sitzt 23 Stunden alleine in seiner britischen Zelle. Mit Verweis auf Corona durften ihn im letzten halben Jahr nicht einmal Familienangehörige und Anwälte besuchen.

Die US-Ankläger haben die Corona-Zwangspause genutzt für die Erweiterung der Anklage. Julian Assange wird jetzt zusätzlich die Rekrutierung von Hackern vorgeworfen, die Geheimdokumente finden sollten, sowie Beihilfe zur Flucht des NSA-Whistleblowers Edward Snowden aus Hongkong. Das Legal Team von Julian Assange hat erst drei Wochen vor Prozessbeginn aus der Presse von den neuen Vorwürfen erfahren und keinerlei Gelegenheit gehabt, sich mit seinem Mandanten zu besprechen. Ein Antrag auf Verschiebung des Verfahrens zur Vorbereitung einer angemessenen Verteidigung wurde abgelehnt – wie auch vorherige Kautionsersuchen.

Mit der Verfolgung von Julian Assange wird ein brutales Exempel statuiert. Jeder Tag, den er im Gefängnis verbringen muss, ist ein Angriff auf den Journalismus und unser aller Freiheit.

Sevim Dagdelen ist Obfrau der Fraktion „Die Linke“ im Bundestag

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"Haft statt Charité-Bett", UZ vom 18. September 2020



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