Genuas Staatsanwaltschaft will Blockade von Waffenexporten nach Saudi-Arabien ahnden

Hafenarbeiter mit Haftstrafen bedroht

Vor zwei Jahren haben Hafenarbeiter und Friedensaktivisten im italienischen Genua erfolgreich die Verladung von Kriegsgerät auf das saudische Frachtschiff „Bahri Yanbu“ verhindert. Die Beschäftigten blockierten das Anlegebecken, Gewerkschafter organisierten einen Streik. Beim Einlaufen des Schiffes zündeten Hafenarbeiter Rauchtöpfe und feuerten Signalraketen in Richtung des Frachters. Am Ende musste der den Hafen wieder verlassen, ohne dass die militärische Ausrüstung für den Krieg gegen die Bevölkerung im Jemen an Bord genommen wurde.

Der antimilitaristische Protest sorgte seinerzeit international für Aufsehen, zumal die „Bahri Yanbu“ aufgrund ähnlicher Aktionen schon eine wahre Odyssee hinter sich hatte. Das saudische Schiff war im nordspanischen Santander von Demonstranten empfangen worden und hatte den nordfranzösischen Hafen Le Havre verlassen müssen, ohne wie geplant mit Artilleriegeschützen beladen zu werden.

Auch Papst Franziskus stellte sich seinerzeit hinter die so großartigen wie Mut machenden Streikenden von Genua: „Christliche europäische Länder reden über Frieden und leben von Waffen – das nennt man Heuchelei.“ Und weiter: „Die Arbeiter im Hafen sagten ‚Nein‘. Sie haben das gut gemacht.“ Es sei nur ein Fall, „aber er lehrt uns, wie wir vorwärtskommen“, so das Oberhaupt der katholischen Kirche, deren Basisgruppen an den Protesten gegen Waffenexporte an die Länder der von Saudi-Arabien angeführten Kriegskoalition ebenfalls beteiligt waren und sind.

Die Justiz des NATO-Staates Italien geht nun aber nicht etwa gegen die Waffenbauer und -lieferanten vor, die die Saudis zum Bombenkrieg befähigen, allen voran etwa gegen die Tochterfirma der Düsseldorfer Rüstungsschmiede Rheinmetall. Im Visier der italienischen Staatsanwaltschaft sind vielmehr Beteiligte des erfolgreichen antimilitaristischen Widerstands in Genua. Gegen fünf Arbeiter, die im autonomen Gewerkschaftskollektiv CALP (Collettivo Autonomo Lavoratori Portuali) und der Antifaschistischen Aktion Genua organisiert sind, wurde mittlerweile ein Verfahren eröffnet. Sie werden beschuldigt, bei den Blockadeprotesten vor zwei Jahren bengalische Feuer und Rauchtöpfe manipuliert und zu „tödlichen Waffen“ umfunktioniert zu haben. Im Zuge von Hausdurchsuchungen bei den Beschuldigten wurden Mobiltelefone, Computer und USB-Sticks beschlagnahmt. CALP-Räumlichkeiten in den Docks des Hafens wurden so konsequent leergeräumt, dass man von einer gezielten Lahmlegung der weiteren politischen wie gewerkschaftlichen Arbeit ausgehen muss.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Angriffs auf die Verkehrssicherheit, Widerstands gegen die Staatsgewalt und Mitgliedschaft in einer „kriminellen Vereinigung“. Im Fall einer Verurteilung im letzten Punkt drohen den fünf Gewerkschaftern und Antifaschisten Haftstrafen von drei bis sieben Jahren. Für das Werfen von „Gegenständen oder Wurfgeschossen auf fahrende Fahrzeuge“ drohen Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu zwei Jahren.

In einer ersten Reaktion auf die staatsanwaltliche Repression wies das CALP-Kollektiv auf die Absurdität der Vorwürfe hin: „Tödliche Waffen“ sind demnach Rauchpfannen und Bengalos, mit denen Hafenarbeiter auf einen Kriegstransporter hinweisen, nicht aber das Kriegsgerät und die Sprengstoffe, die das Schiff beim Einlaufen in den Hafen von Genua geladen hatte bzw. dort verladen werden sollten.
Auf Sardinien, wo es seit Jahren Proteste gegen eine Waffenfabrik von Rheinmetall und einen Militärstützpunkt der NATO gibt, sollen derweil 45 Menschen angeklagt sein, fünf von ihnen wird Mitgliedschaft in einer „subversiven Vereinigung zum Zweck (des) Terrorismus“ vorgeworfen.
Die ganze Repression ist umso skandalöser, als die italienische Regierung zu Jahresbeginn selbst Rüstungsexporte an Saudi-Arabien und an die Vereinigten Arabischen Emirate unterbunden hat unter Verweis auf das Gesetz 185/90, das Waffenlieferungen an Staaten verbietet, die sich in bewaffneten Konflikten befinden oder deren Regierungen die internationalen Menschenrechtskonventionen schwerwiegend verletzen. Das Gesetz regelt die Ausfuhr von Waffen wie auch deren Transport durch Italien – kein einziger Bahri-Kriegsgütertransporter dürfte demnach mehr in Genua anlegen. In der Realität sichert Italiens Polizei die Anlegestelle und hindert die Hafenarbeiter, die geladene Fracht auf ihre mögliche Gefährlichkeit zu kontrollieren.

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"Hafenarbeiter mit Haftstrafen bedroht", UZ vom 14. Mai 2021



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