Bei den Ärmsten soll gespart werden: 4,7 Milliarden weniger Geldleistungen für Bürgergeldempfänger sieht der am vergangenen Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedete Entwurf des Haushalts 2025 vor. Die Einsparungen sollen durch „verschärfte Mitwirkungspflichten und Zumutbarkeitsregelungen“ erreicht werden. So würden Arbeitsangebote eher angenommen, behaupten die Berliner Koalitionäre in „bester Tradition“ einer längst überwunden geglaubten Agenda-Politik. Insbesondere die FDP ist begeistert und deren Fraktionschef Christian Dürr lobt: „Das neue Bürgergeld wird teilweise härter sein als Hartz IV.“
Bereits Anfang Juli hatte Christian Lindner bei der Vorstellung des Papiers „Wachstumsinitiative – neue wirtschaftliche Dynamik für Deutschland“ angekündigt: „Es sei ein Gebot der Gerechtigkeit gegenüber denjenigen, die arbeiten, den fordernden Charakter unserer Arbeitsmarktpolitik zu stärken.“ Das im FDP-geführten Finanzministerium erarbeitete Papier ist neben weiteren Maßnahmen Bestandteil der ebenfalls in der vergangenen Woche vom Bundeskabinett beschlossenen Wachstumsinitiative. Ziel ist es, mit 49 Maßnahmen aus der neoliberalen Mottenkiste den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken.
Unter diesen Vorzeichen werden auch Sanktionen wieder ins Zentrum der Arbeitsmarktpolitik gerückt. „Wer eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder Eingliederungsmaßnahme ohne triftigen Grund ablehnt, wird mit erhöhten Kürzungen des Bürgergeldes rechnen müssen“, heißt es aus Berliner Regierungskreisen. Als zumutbar gelten zukünftig auch Pendelzeiten von zweieinhalb Stunden bei einer täglichen Arbeitszeit von bis zu sechs Stunden. Bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden sollen sogar drei Stunden Hin- und Rückfahrt in Kauf genommen werden müssen.
Insgesamt erweckt das Maßnahmenpaket der Ampel den Eindruck, Sozialrecht soll endgültig in Strafrecht umgewandelt werden. Schwarzarbeit von Bürgergeldempfängern wird künftig als Pflichtverletzung geahndet. Wie schon bei den verschärften Mitwirkungspflichten und Zumutbarkeitsregelungen drohen hier für drei Monate Kürzung der Bürgergeldbezüge um 30 Prozent. Dazu passt auch, dass sich Leistungsbezieher monatlich in Präsenz bei der zuständigen Behörde melden müssen. Bei Meldeversäumnissen ist eine 30-Prozent-Sanktion der Regelleistung für einen Monat vorgesehen.
Darüber hinaus ist geplant, Menschen wieder verstärkt „Ein-Euro-Jobs“ zuzuweisen statt sie nachhaltig in Arbeit zu bringen – trotz aller negativen Erfahrungen mit diesem arbeitsmarktpolitischen Instrument. Und bevor überhaupt Bürgergeld beansprucht werden kann, muss eigenes Vermögen aufgebraucht werden. Die Karenzzeit beim sogenannten Schonvermögen – also die Zeit, in der das Geld nicht angetastet werden darf – wird von zwölf auf sechs Monate halbiert. „Das Bürgergeld dient als existenzsichernde Leistung und ist nicht dafür da, das Vermögen einzelner abzusichern“, heißt es hierzu zynisch in der Vereinbarung der Berliner Koalitionäre.
Vorbei sind die Zeiten, als die Einführung des „Bürgergelds“ als eines der „sozialpolitischen Großprojekte“ der Bundesregierung gepriesen wurde. SPD-Politiker wie Saskia Eskens betonten den „Respekt vor denjenigen, die in Not sind“ und im Wahlprogramm der Sozialdemokraten zur Bundestagswahl war von einem „neuen Verständnis eines haltgebenden und bürgernahen Sozialstaats“ die Rede. Zwar war weiterhin noch an Mitwirkungspflichten der Empfänger gedacht, vor allem aber an „Hilfe und Ermutigung“.
Die Grünen gingen noch einen Schritt weiter. Sie sprachen explizit davon, Hartz IV zu überwinden und plädierten für eine Garantiesicherung für alle, die „vor Armut schützt und ohne Sanktionen das soziokulturelle Existenzminimum garantiert“. Drei Jahre später bleibt von den Ankündigungen, das SGB-II-System zu humanisieren, nicht mehr viel übrig. Stattdessen bezeichnet Bundesarbeitsminister Hubertus Heil das Rollback zu Hartz IV im Deutschlandfunk lapidar als „keine dramatischen Verschärfungen“, sondern lediglich als „Nachsteuern“.