Bundesregierung will schärfere Sanktionen für Bürgergeldbezieher einführen

„Härter als Hartz“

Die Hetze gegen das im Vergleich zum alten Hartz-IV-System zumindest in Nuancen liberalere Bürgergeld und deren Empfänger zeigt Wirkung: Das Bundeskabinett hat in der vergangenen Woche im Rahmen der sogenannten Wachstumsinitiative einen entsprechenden Gesetzentwurf beschlossen. Dieser beinhaltet die bereits vor mehreren Wochen von der Ampel ins Spiel gebrachten Verschärfungen beim Bürgergeld, über die FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagt: „Das neue Bürgergeld wird teilweise härter sein als Hartz IV.“ Nach dem Gesetzgebungsverfahren im Bundestag wird das Gesetz voraussichtlich zum Jahreswechsel in Kraft treten.

Konkret sieht der Gesetzentwurf vor: Wer künftig eine Maßnahme oder zumutbare Arbeit oder Ausbildung grundlos ablehnt, erhält sofort 30 Prozent weniger Grundsicherung für drei Monate. Bisher war lediglich eine Kürzung von 10 Prozent für einen Monat möglich. Erst bei weiteren Verweigerungen sind nach jetziger Gesetzeslage bis zu 30 Prozent oder sogar eine komplette Streichung der Sozialleistung möglich.

Außerdem soll, wie spätestens seit den Beratungen zum Haushalt 2025 gefordert, der Begriff einer zumutbaren Arbeit neu definiert werden. Als zumutbar gelten mit Inkrafttreten des Gesetzes auch Pendelzeiten von zweieinhalb Stunden bei einer täglichen Arbeitszeit von bis zu sechs Stunden. Bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden sollen sogar drei Stunden Hin- und Rückfahrt in Kauf genommen werden müssen. Nur für Pflegende und Erziehende sind Ausnahmen vorgesehen. Versäumte Termine beim Jobcenter ohne triftigen Grund werden zukünftig ebenfalls Kürzungen von 30 Prozent – statt wie bisher 10 Prozent – nach sich ziehen.

Bürgergeldbeziehern, die Schwarzarbeit geleistet haben, sollen ebenfalls die Leistungen gemindert werden. Es droht Kürzung der Bürgergeldbezüge für drei Monate um 30 Prozent und die Jobcenter werden verpflichtet, einen Verdacht auf Schwarzarbeit an die Zollverwaltung zu melden. Außerdem wird mit der Gesetzesänderung die Karenzzeit beim sogenannten Schonvermögen von zwölf auf sechs Monate halbiert. „Das Bürgergeld dient als existenzsichernde Leistung und ist nicht dafür da, das Vermögen einzelner abzusichern“, hieß es dazu zynisch aus den Reihen der Koalition bereits vor mehreren Wochen.

Einer der wenigen Aspekte des Gesetzesvorhabens, bei dem nicht das „Fordern“, sondern das „Fördern“ im Vordergrund steht, ist die sogenannte „Anschubfinanzierung“. Langzeitarbeitslose, die mehr als zwölf Monate in einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit beschäftigt sind, sollen einmalig 1.000 Euro als Prämie erhalten können. Wenig überraschend stößt dies schon jetzt auf den erbitterten Widerstand von CDU, FDP und bei Teilen der Grünen.

Als Sündenbock für die insgesamt drastischen Gesetzesverschärfungen müssen sogenannte „Totalverweigerer“ herhalten, die laut Berichten aus den Jobcentern „zumutbare Arbeitsaufnahmen beharrlich verweigerten und somit bewusst ihre Hilfebedürftigkeit aufrechterhalten“. Das Bundesministerium für Arbeit- und Soziales (BMAS) geht hier von maximal 20.000 Personen aus, was im Vergleich zu den insgesamt rund 5,5 Millionen Bürgergeldbeziehern verschwindend gering ist.

Dies zeigt, in der Auseinandersetzung um Bürgergeld, Sanktionen und Zumutbarkeitsregelungen geht es nur vordergründig um realen und vermeintlichen Sozialbetrug. Die zentrale Auseinandersetzung bewegt sich um die Frage der grundsätzlichen Ausrichtung von Arbeitsmarktpolitik in der Krise. Ziel ist sicher nicht, wie von Gewerkschaften und Sozialverbänden gefordert, die Überwindung von Langzeitarbeitslosigkeit und die nachhaltige Integration in sozialversicherungspflichtige Arbeit. Stattdessen sollen die Verschärfungen im SGB-II-System als Druckmittel dienen. Denn Sanktionen und Zumutbarkeitsregelungen haben nicht nur ein Erpressungspotential gegenüber Erwerbslosen, jede noch so schlecht bezahlte Arbeit anzunehmen. Sie können auch ein äußerst wirksames Disziplinierungswerkzeug gegenüber von Arbeitsplatzabbau bedrohten Kernbelegschaften sein.

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"„Härter als Hartz“", UZ vom 11. Oktober 2024



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