Zu deutschen Waffenexporten in Krisengebiete

Habecks Werte

„Keine Waffen in Krisengebiete“ – das gehört erklärtermaßen zum Grundverständnis der Bundesrepublik. „Was für ein Unsinn“, meinen Waffenproduzenten und Waffenhändler: „Wohin, wenn nicht in Krisengebiete, sollen Waffen denn sonst geliefert werden?“
Die Bundesregierung hat schon lange ein Einsehen. Unterm Tisch und entgegen den offiziellen Erklärungen werden Waffenlieferungen immer wieder genehmigt. Zuletzt wurde das publik, als die Regierung eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen („Die Linke“) beantwortete. Die Bundesregierung genehmigte Waffenlieferungen beispielsweise an Ägypten, Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und den Sudan. Diese Länder beteiligen sich unter anderem am Krieg Saudi-Arabiens gegen den Jemen.

An Saudi-Arabien allerdings liefert Deutschland nicht direkt. Schlecht für die Waffenhändler, denn im Jemen kämpfen zwar Saudi-Arabien und die VAE – aber nicht ganz auf derselben Seite. Der Streitpunkt ist die Unabhängigkeitsbewegung im Süden des Jemen. Da könnten wir beide Seiten beliefern, das wäre eine Win-win-Situation für die Waffenindustrie. Mit Saudi-Arabien aber behält man ein kleines Feigenblatt – noch. Denn „besondere Verpflichtungen Deutschlands gegenüber NATO-Bündnispartnern“ werden erfüllt – auch im Falle von Waffenlieferungen an Saudi-Arabien.

„Keine Waffenlieferungen in Krisengebiete“, einst eine Bastion grüner Rhetorik, muss geschleift werden. Und wer wäre besser geeignet als der Grüne-Politiker Robert Habeck. Keine Waffen in Krisengebiete zu liefern sei falsch, erklärt er uns. Krieg hin oder her – es komme drauf an, an wen wir liefern, es gehe schließlich um „unsere Werte“. Tatsächlich liefern die VAE und Saudi-Arabien Habecks Vision von „unseren Werten“: Diesel und Gas. Vorerst konnte Bundeskanzler Olaf Scholz bei seinem Besuch in Nahost nur kleine Mengen davon sichern, haben doch andere Staaten schon länger Lieferverträge mit diesen Ländern. Aber mit Waffen im Tausch für Gas und Öl, da lässt sich bestimmt was machen.

Menschenrechte, Friedensinitiativen oder – Gott behüte! – „Keine Waffen in Krisengebiete“: das klingt wie aus dem letzten Jahrhundert. Heute, im globalen Machtkampf, gilt Realpolitik statt Diplomatie. Wir kaufen Öl und liefern Waffen auch an die Despoten am Golf. Solange sie unsere Despoten sind.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Habecks Werte", UZ vom 30. September 2022



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Tasse.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit