Die Siegeszuversicht ist der Panik gewichen. Noch im April war man sich in den Konzernetagen und im Bundeskanzleramt sicher, Moskau durch Sanktionen und ein Embargo auf russische Energieträger schnell in die Knie zwingen zu können. Dass diese Politik nicht nur Russland wirtschaftlich schwächen, sondern vor allem verheerende Folgen für Deutschland haben würde, wurde von den Verantwortlichen ignoriert. Der irrationale Hass auf Russland – der offensichtlich bei Grünen-Politikern besonders ausgeprägt ist – war und ist größer als jegliche wirtschaftliche Vernunft.
Drei Monate später sind russische Energieträger tatsächlich zur Mangelware geworden und die vielbeschworene „wertebasierte Außenpolitik“ hat nicht für den nötigen Ersatz sorgen können. Wie ernst die Lage ist, wurde in der vergangenen Woche deutlich. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck stellte die Priorisierung von Privathaushalten und kritischer Infrastruktur gegenüber der Industrie, wie es die europäische Notfallverordnung Gas vorsieht, im Falle einer weiteren Gasverknappung infrage. „Auch Verbraucherinnen und Verbraucher müssen ihren Anteil leisten“, so der Minister. Die Kapitalverbände der Metall- und der Chemischen Industrie hatten bereits zuvor deutlich gemacht, wer bei der Energieversorgung an erster Stelle stehen müsse und drohten bei Zuwiderhandlung mit Arbeitsplatzabbau.
In der Konsequenz haben viele Lohnabhängige im Herbst die Wahl zwischen Arbeitslosigkeit oder kalten Wohnungen. Diese fatale Entwicklung war vorhersehbar. Die warnenden Stimmen wurden jedoch konsequent ignoriert. Die Gewerkschaften hatten bereits im Frühjahr vor drastischen Einschränkungen bei der industriellen Produktion infolge der Embargopolitik gewarnt. Auch das Wirtschaftsforschungsinstitut IMK hatte einen massiven Einbruch der Wirtschaftsleistung angesichts von Abhängigkeiten und Verflechtungen moderner Produktionsstrukturen sowie internationaler Lieferketten prognostiziert und in der Folge einen drastischen Anstieg der Arbeitslosigkeit vorhergesagt.
Der einzige Ausweg aus diesem „ökonomischen Selbstmord“ ist die Beendigung des (Wirtschafts-)Krieges und die Rückkehr zum Verhandlungstisch. Die Bundesregierung hat in Übereinstimmung mit den übergeordneten Konzernen einen anderen Weg gewählt.