Ich habe meine vier Tage Urlaub dazu genutzt, wieder in den Fußball einzusteigen. Nach mehr als zwei Jahren (ja, ich war auch vor der Pandemie schon ein bisschen nicht, konnte ja keiner ahnen, was da kommt) endlich wieder ins Stadion. Mittwochabend, 19.30. Flutlichtspiel. Leider in der Kreisliga C. Und so steh ich mit einem Genossen als einzige nicht irgendwie mit dem Verein verbandelte Zuschauerin an einer Wiese am Waldesrand, friere und schaue Viktoria Urberach gegen TV Semd. Herrje.
Bei einigen der Gästespieler fragt man sich, ob sie nicht eigentlich schon seit Jahren in eine Altherrenmannschaft gehören, rennen ist nicht mehr so. Nickelig sind sie aber, der Schiri sieht nur die Hälfte und ist auch eher so Kreisliga C. Dafür gibt es frisch Gezapftes aus der Vereinskneipe und die Erkenntnis, dass meine Begleitung sich in der Kreisliga C noch viel mehr aufregen kann als bei einem Pauli-Spiel. Am Ende gewinnt die Viktoria 3:2, dass es auch locker 7:3 hätte sein können erwähnt lieber keiner. Dafür kommen die Spieler zum Abklatschen und machen sich am Spielfeldrand erst mal ’ne Kippe an.
Donnerstag dann richtiger Fußball. Celtic Glasgow gegen Bayer Leverkusen. Leider nicht im Stadion, sondern im Fernsehen. Normalerweise fährt man zu so einem Spiel von Belfast aus mit der Fähre rüber, fühlt sich wie auf dem Weg in den Krieg, wenn schon nicht gegen die Besatzung durch die Engländer, dann doch wenigstens gegen die Rassistenschweine der Rangers.
Zum Auftakt „You’ll never walk alone“. Das können sie noch nicht mal am Millerntor so beeindruckend singen, schöner schaffen es nur die Jungs und Mädchen von der Anfield Road – wenn sie einen guten Tag haben. Wer da keine Gänsehaut kriegt, ist ein Stein und kein Mensch. Ansonsten haben die Celts das politischste Liedgut im europäischen Fußball. Das ist auch in der Übertragung zu hören, auch wenn sich das merkwürdige RTL-Moderatorenduo bemüht, ein Verstummen der Fans ob der katastrophalen Leistung der Mannschaft herbeizureden. Diese möchte ich lieber nicht kommentieren, zwei Halbzeiten fangen sie überaus kämpferisch an, um mich dann streckenweise an die Mannschaften vom Mittwochabend zu erinnern. Trotzdem schallen von den Rängen die Lieder der (irischen) Freiheitsbewegung. „The Fields of Athenry“ natürlich, mit dem sich auch schon die Fans der irischen Nationalmannschaft in die Herzen Fußball-Europas gesungen haben, das davon handelt, dass Michael nach Australien verbannt wird, nur weil er Mais vom Land eines englischen Großgrundbesitzers geklaut hat, um seine Kinder vorm Verhungern zu bewahren. Und „We‘re all off to Dublin in the Green“ (Fuck the Queen!) über die Teilnahme am Osteraufstand 1916. Meine Frage, ob sie heute singen „We were indeed having a Party when Maggie Thatcher died“ wurde nicht beantwortet, die Melodie war zu hören, der Text nicht auszumachen. Nächstes Jahr besteige ich in Belfast ein Schiff und finde es raus. Und wehe, die verlieren dann wieder gegen irgendwen 4:0.