Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert begann ein rasanter Anstieg der Bevölkerungszahlen in den Städten. In fußläufiger Nähe der Fabriken entstanden durch das Ansiedeln der Arbeiter und ihrer Familien die Arbeiterstadtteile. In Linden und Limmer wurden Arbeiterhäuser und Werkswohnungen rund um Hanomag und Ahrberg, die mechanische Weberei an der Ihme bis zu Bettfedernfabrik und Continentalwerken am Leineufer hochgezogen. Die Fabrikbesitzer und Vorgesetzten atmeten in herrschaftlichen Villen samt Grünflächen und breiten Straßenzügen durch, während die Arbeits-, Wohn- und Lebensorte der Arbeiter eng, laut und dreckig waren. Durch zwei Kriege und Deindustrialisierung fiel der Industriestandort Linden-Limmer zu großen Teilen brach, zurück blieb der Arbeiterstadtteil, der noch bis Mitte der 60er-Jahre im Beheben der Kriegsschäden steckte. Das sogenannte Wirtschaftswunder brachte Geld in die Kassen der Stadt. In Hannover begann ein großangelegter, das Stadtbild verändernder Bauboom, so auch in Linden-Limmer.
Angespannte Wohnungslage bleibt
Trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs blieb die Lage auf dem Wohnungsmarkt für die arbeitenden Menschen angespannt: Es fehlte an Wohnungen, die Kosten stiegen an, und allzu oft war der Platz viel zu gering. Die, die es sich leisten konnten, zogen in Neubaugebiete im Umland, der freigewordene, schlechtere Teil des Wohnungsbestands wurde von Einkommensschwächeren und Gastarbeitern bezogen. Die baufälligen Häuser in Linden-Nord wie -Süd und die großen Leerflächen in guter Lage machten den Stadtteil zu einem wichtigen städtischen Aktionsfeld. Auch in dieser Periode der Stadtplanung überwogen bereits die Interessen der „besserbetuchten“ Teile der Bevölkerung, aber es gab noch einen Anspruch auf eine gesellschaftlich ausgewogene Stadtplanung. In der öffentlichen Diskussion wurde wahrgenommen, dass städtebauliche, architektonische, soziale und längerfristige volkswirtschaftliche Interessen auf der Strecke blieben und das weckte zu Recht den Widerstand der Stadtteilbewohner.
Widerstand in den 70ern
Der Versuch der Stadt Hannover, damals stark von der SPD geprägt, Linden für die Abrissbirne freizugeben, scheiterte am Engagement der Bewohner und aktiver Studenten. Im Gegensatz zum Abbruch der gesamten Fannystraße, die die Zwangsumsiedelung ihrer Bewohner nach Garbsen zur Folge hatte, konnte der Abriss der Arbeiterhäuser an der Viktoriastraße und der Mathildenstraße, die bewusst von der Stadt Hannover leergehalten und zugemauert wurden, verhindert werden.
Zu recht skeptisch schauten die Bewohner Lindens dann auch auf das Bauvolumen des Ihme-Zentrums. Die Investoren und Großeigentümer – größtenteils Nord- und West-LB – wollten eine verdoppelte Gewerbefläche, von der sie sich höhere Gewinne erhofften – was zu einer der Ursachen für den heutigen ruinösen Zustand des Ihme-Zentrums wurde. Weitere „Sargnägel“ folgten in Form von Spekulanten und Heuschrecken bis aktuell zum windigen Lars Windhorst.
Ausverkauf und Verdrängung
Die Wohngebietsgruppe DKP Linden-Limmer meint, dass erneut Widerstand von unten geleistet werden muss. Die derzeitige Politik von Grünen, SPD, CDU, AfD und leider auch teilweise von der Linkspartei ist nicht den Notwendigkeiten angemessen, die aus der schwierigen Lage auf dem Wohnungsmarkt erwachsen: Pro Tag fallen 72 Wohnungen aus der Bindung, sprich mit öffentlichen Geldern geförderte Wohnungen gehen in den Bestand von Vonovia & Co. über oder werden Eigentumswohnungen. Das bedeutet, in Hannover werden bis zum Jahre 2025 an die 13.000 Wohnungen in der unteren Preisklasse fehlen. Bereits jetzt sind 39 % der Mieterhaushalte (86.300!) auf leistbaren Wohnraum angewiesen. Selbst Durchschnittsverdiener kommen in Bedrängnis, wenn durch Maßnahmen wie Luxussanierungen die Mietpreise in die Höhe getrieben werden. Ein wachsender Teil der „Ureinwohner“ Linden-Limmers wird verdrängt, der sich Erhöhungen der Mietkosten von über 20 % in den letzten 20 Jahren nicht leisten kann und in günstigere, noch nicht gentrifizierte Bezirke „auswandern“ muss. Die „Normalbewohner“ des Stadtteils müssen den „urbanen Mittelschichten“ Platz machen, die sich gerne einen ökologisch-schicken Lifestyle im hippen „Kiez“ leisten.
Probleme verschleppt und verschärft
Hier wird deutlich, dass Bauprojekte mit wenigen Wohneinheiten und hohen Quadratmeterpreisen, wie das Gilde-Carré und die Edelwohnungen am Leineufer des Schwarzen Bären oder Lifestylewohnprojekte in ehemals öffentlichen Gebäuden, nicht im Interesse die überwiegenden Mehrheit der Bewohner des Stadtteils sind. Sind sie nicht vielmehr Ergebnis einer Politik, die nicht im Sinne des oben beschriebenen Stadtteils handelt und die Tore Linden-Limmers weit öffnet für Verteuerung, Privatisierung, Profitinteressen einiger Weniger?
Hanebüchene Höhepunkte dieser Herangehensweise werden deutlich, wenn man etwa die Diskussion zum Neubau auf dem Gelände der ehemaligen Volksbank an der Minister-Stüve-Straße verfolgt, wo einige Besitzer den Wert ihrer gegenüberliegenden Eigenheime vom Schattenwurf des geplanten Gebäudes geschmälert sehen, ohne sich den höhnischen Klang solcher Privilegierten-Argumente einzugestehen. Auf diesem Gelände hätte unter weniger egoistischer Prioritätensetzung nach simpler Rechnung viermal so viel Wohnraum entstehen können und müssen.
So finden im Planungsprozess zur Wasserstadt die beschriebenen Probleme im Stadt- und Bezirksrat nur unzureichend Berücksichtigung. Mit sporadischer „Bürgerbeteiligung“ wird die Diskussion von den vermeintlichen „Bürgervertretern“ aus sämtlichen Parteien gezielt am Lebensalltag der lohn-, sozialleistungs- oder rentenabhängigen Menschen vorbeigeführt: Soziale Fragen werden moralisierend scheinbar ökologischen Maßgaben untergeordnet. So wird zwar nach mehr „öffentlich geförderten Wohnungen“ gerufen, jedoch werden mehrstöckige, höhere Gebäude kategorisch ausgeschlossen. Wie man mit solchen Einschränkungen auf die benötigte Anzahl an bezahlbaren Wohnungen kommen möchte, bleibt schleierhaft.
hanova: winzig und teuer
Den widersinnigsten Wurf von allen hat sich aber jüngst die städtische Wohnungsgesellschaft hanova selbst geleistet: Sie setzte allen Ernstes sogenannte „Tiny Houses“ mit einer Größe von 28 qm zum Quadratmeterpreis von 17,50 € Kaltmiete nach Linden-Süd. Das ist angesichts des ohnehin kontinuierlich steigenden Mietspiegels im Bezirk, den solche hochpreisigen Wohnungen weiter in die Höhe treiben, nicht hinnehmbar und verantwortungslos. So wirkt sich vermeintlich grüner Lifestyle-Schnickschnack konkret aus.
Klar ist: Unter den herrschenden politischen und wirtschaftlichen Machtverhältnissen, in denen maßgeblich die Profitinteressen von Investoren und Spekulanten bedient werden, wird es keinen sozialen Wohnungsbau in ausreichender Menge geben. Daran ändern auch die blumigen Worte der bürgerlichen Parteien nichts, die viel versprechen, aber nicht einmal das umsetzen, was sofort machbar wäre, nämlich die hanova zur Gemeinnützigkeit und dazu zu verpflichten, bezahlbaren Wohnraum statt Luxusbauten zu schaffen.
Schon morgen könnten sie einen Mietendeckel für die städtischen Wohnungen installieren und so den Anstieg der Bestandsmieten begrenzen. Für geförderte Mietwohnungen gilt in den ersten drei Jahren ab Bezugsfertigkeit eine höchstzulässige Nettokaltmiete von 5,60 €/qm – warum diese Mietpreisgrenze nicht beibehalten? DAS wären erste Schritte auf dem Weg von engem, kleinem, teurem Wohnraum zu gutem und günstigem Wohnen für alle – auch für uns in Linden-Limmer.
Diese logischen, einfachen Schritte zur Verbesserung der Wohnungsversorgung werden sich nicht im Selbstlauf durchsetzen. Ausdauer, Solidarität, Widerstand und öffentlicher Protest sind nötig, denn tiny-teurer Wohnraum passt nur den Reichen!