Den Bauernprotesten im Dezember folgte zu Jahresbeginn ein halber Rückzieher der Regierung: Die Kfz-Steuerbefreiung für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge bleibt. Die Agrardiesel-Rückvergütung fällt nicht sofort weg, sondern wird über drei Jahre „abgeschmolzen“. Die Zugeständnisse hielten die Mobilisierung der Bauern für die Aktionswoche vom 8. bis 15. Januar nicht mehr auf. Zu groß ist die Wut. Von 3 Milliarden Euro Streichungen bei „klimaschädlichen Subventionen“ sollten die knapp 300.000 bäuerlichen Betriebe fast ein Drittel (900 Millionen) schultern, obwohl laut Umweltbundesamt weniger als 10 Prozent der „klimaschädlichen Subventionen“ an sie fließen und der Rest in andere Wirtschaftszweige. Die überproportionale Belastung und die darin ausgedrückte Geringschätzung provozierten.
„Dabei produzieren die LandwirtInnen Lebensmittel. Hierfür benötigen sie Landmaschinen, die derzeit nach wie vor auf fossile Brennstoffe angewiesen sind. Sie fliegen mit dem Diesel nicht nach Mallorca, sondern halten die Lebensmittelproduktion aufrecht“, heißt es in einer Petition gegen die Kürzungen. Die Kfz-Steuerbefreiung sei eingeführt worden, weil „LandwirtInnen den Straßenraum in der Regel nicht nutzen“. Die Petition unterschrieben innerhalb von drei Wochen 1.107.000 Personen. Bauernverbände organisierten Treckerkonvois in Kreis- und Bezirksstädte, in Landeshauptstädte, nach Berlin.
Falls die Regierung spekuliert hatte, bei unter einer Million Beschäftigten der Land- und Forstwirtschaft ließen sich Kürzungen ohne größere Sozialproteste über die Bühne bringen, irrte sie. Zum einen sind die Bauern relativ gut organisiert: 80 Prozent sind in einem der 18 Landesbauernverbände des Deutschen Bauernverbands. Zudem solidarisierten sich Lkw-Fahrer, Gastwirte, Bäcker und viele andere Handwerkszweige und Verbände. Die Bauernproteste artikulieren auch ihre Sorgen und Nöte angesichts hoher Energiekosten, Inflation, Rezession und drohender Insolvenzen. Schließlich solidarisierten sich auch viele Verbraucher, die wollen, dass eine heimische Landwirtschaft mit kurzen Transportwegen erhalten bleibt.
Die Spitzenfunktionäre des Bauernverbands kommen allerdings überwiegend aus der CDU/CSU. Sie haben meist größere Höfe und sitzen in Aufsichtsräten von der landwirtschaftlichen Produktion vor- und nachgelagerten Großkonzernen. Ihre Funktion ist, Protest und Unzufriedenheit zu lenken, so dass sie immer im monopolkapitalistisch verträglichen Rahmen bleiben. An der Berechtigung der Proteste ändert das nichts. Auch die 1980 gegründete Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, die sich als Alternative zur großindustriellen, am Export orientierten Landwirtschaft versteht, unterstützt die Protestwoche im Januar und plant zudem mit Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden für den 20. Januar die Demonstration „Wir haben es satt!“.
Eine tiefer gehende Analyse wird vom Bauernverband nicht kommen. Im Verein mit bürgerlichen Medien nahmen seine Spitzenfunktionäre einen kleinen Auflauf schleswig-holsteinischer Bauern, die in Schlüttsiel auf die Fähre mit Habeck warteten, zum Vorwand, um sich extensiv vom „Mob“, den es dort gegeben habe, zu distanzieren und vor „Radikalen und Extremisten“ zu warnen, die die Proteste unterwandern könnten. Vordergründig geht es um die AfD, die wie die CDU/CSU Stimmung gegen die Ampel macht. Vor allem aber soll die Erörterung von Zusammenhängen tabuisiert werden. Die Belastungen der Bauern sind nur die zurzeit sichtbarste Spitze des Eisbergs, die der Kurs der Abwälzung von Krisen- und Kriegslasten auf die werktätige und lohnabhängige Mehrheit mit sich bringt.
Diese Abwälzung ziehen alle neoliberalen NATO-Parteien durch, während sie die „Ukraine-Hilfen“ verdoppeln. Röttgen, Kiesewetter (beide CDU), Roth (SPD) und Hofreiter (Grüne) fordern gar, die „Europäer“ sollten 2024 ausbleibende US-Ukraine-Hilfen ersetzen. Der Größenwahn der NATO- und EU-Ostexpansion ruiniert das Land.