Sein privater Einsatz für Palästina kostete ihn den Job: Das Historische Museum in Frankfurt am Main hat Daniel Shuminov vor einigen Monaten gefeuert. Shuminov hat einen jüdischen Background und arbeitete als Guide. UZ sprach mit ihm über die Repression, die er erfuhr.
UZ: Bis vor kurzem hast du als Guide für Lokale Geschichte des deutschen Faschismus beim Historischen Museum in Frankfurt am Main gearbeitet. Nun darfst du keine Führungen mehr geben. Wie kam es dazu?
Daniel Shuminov: Ich war Ende Mai einer der Pressesprecher unseres Palästina-Protestcamps Hind’s Garden. Am 12. und 18. Juni erhielt ich jeweils Anrufe von meiner Vorgesetzten, in denen sie mir mitteilte, dass es wegen meiner Äußerungen während des Camps und bei einer Demonstration eine Woche später „Bedenken“ gebe. Daher werde ich vorerst keine Aufträge mehr als Guide und Publikumsbetreuer von dem Museum erhalten. Welche konkreten Aussagen gemeint waren, wurde mir jedoch nicht mitgeteilt, sodass ich auch keine Stellung beziehen konnte.
Ich forderte ein Gespräch, zu dem ich schließlich Ende Juli eingeladen wurde. Als ich jedoch darum bat, einen Kollegen als Protokollführer mitzubringen, wurde das Gespräch gänzlich abgesagt. Bis heute habe ich keine klare Begründung erhalten.
UZ: Diese Entscheidung fällt in einer Zeit der verschärften Repression gegen die Palästinabewegung in ganz Deutschland. Wie ist die Lage in Frankfurt am Main?
Daniel Shuminov: Es dauerte Ende letzten Jahres zwei Monate, bis wir überhaupt legal demonstrieren durften. Nachdem im November das Al-Schifa-Krankenhaus erstmalig bombardiert wurde und wir darauf bestanden hatten, eine stille Trauerkundgebung mit auf dem Boden aufgestellten Kerzen abzuhalten, griffen uns Wasserwerfer an. Fast ein Jahr später sollte für alle deutlich sein, dass jede Form von politischer Aktivität gegen den Genozid Repressionen mit sich bringen kann.
Eines ist für uns in der Stadt unübersehbar geworden: Alle relevanten Institutionen beteiligen sich arbeitsteilig an der Hetze gegen propalästinensische Aktivisten. Medien, Universitätsleitungen und gut finanzierte NGOs diffamieren uns, während Ministerien und so genannte „Antisemitismusbeauftragte“ auf unseren Ausschluss aus der Öffentlichkeit drängen. Polizei und Staatsanwaltschaft schränken durch Schikanen und Geldstrafen unsere Meinungsfreiheit ein. Hauptamtliche des DGB setzen Gewerkschaftsmitglieder unter Druck, sich nicht gegen den Genozid zu äußern. Arbeitgeber, besonders aus dem Bildungssektor, entlassen auf Druck der Ministerien Mitarbeiter, die sich kritisch äußern. Das alles darf niemanden wundern. Ein Staat, der finanziell und militärisch unterstützt, dass 100.000 Kinder massakriert werden, wird sich nicht davor scheuen, jene zu bestrafen, die das Blut an den Händen der Täter auch sichtbar machen wollen.
UZ: Das Museum selbst behauptet, es gehe gar nicht um das Camp. Was ist die offizielle Begründung?
Daniel Shuminov: Am Telefon wurde die Suspendierung klar und eindeutig mit meiner politischen Aktivität begründet. Das geht auch aus Chatverläufen hervor, in denen ich meiner Vorgesetzten Videoaufnahmen meiner Redebeiträge schickte, um maximale Transparenz zu gewährleisten. Fünf Wochen später behauptete das Museum jedoch, der Grund für die Suspendierung sei angeblich eine mangelnde Qualität meiner Führungen. Das ist offensichtlich vorgeschoben.
UZ: Du selbst hast väterlicherseits einen jüdischen Background. Schützt das nicht vor derlei mit Antisemitismus-Vorwürfen begründeter Repression?
Daniel Shuminov: Im Gegenteil. Jüdische Menschen sind in der Repression massiv überrepräsentiert. Fast ein Drittel aller Gecancelten in Deutschland sind jüdisch, obwohl ihr Anteil in der Bevölkerung lediglich 0,2 Prozent beträgt. Viele Menschen mit jüdischem Hintergrund wollen sich dagegen wehren, dass dieser Genozid in ihrem Namen stattfindet. Sie werden ebenso angegriffen, da westliche staatliche Institute mit der IHRA-Definition den Kampf gegen Antisemitismus beinahe gänzlich durch einen Kampf gegen jede Form der Israelkritik ersetzt haben. So ist es Deutschland heute möglich, Juden zu diffamieren, sie aus ihren Jobs zu drängen, von der Polizei verprügeln zu lassen und ihnen die Meinungsfreiheit zu nehmen – während gleichzeitig tatsächliche Antisemiten, mehrheitlich deutsche Faschisten, ignoriert werden.
Aber hier geht es nicht um uns Menschen mit jüdischem Background. Viel wichtiger ist, dass wir Studierende auf dem Campus haben, die bis zu 20 Familienmitglieder in Gaza verloren haben und darüber nicht einmal sprechen können, ohne sich Sorgen darüber machen zu müssen, abgeschoben zu werden oder dass Israel ihre Verwandten in der Heimat noch gezielter ins Visier nimmt.
UZ: Du hast das ganze nicht auf dir sitzen lassen, sondern bist an die Öffentlichkeit gegangen.
Daniel Shuminov: Ich habe vor dem Museum eine kostenlose Führung angeboten, die auf sehr positives Feedback stieß. Zusätzlich reagierten meine Genossen und ich mit einem offenen Brief, den inzwischen 45 Organisationen und 1.560 Einzelpersonen unterzeichnet haben. Aktuelle Informationen zur Kampagne und zu weiteren Fällen von Repression finden sich auf der Instagram-Seite unserer Gruppe Students4Palestine Frankfurt, die wir im Rahmen des Protestcamps gegründet haben.
Allerdings wird auch dieser Solidarität mit Repression begegnet: Die Hans-Böckler-Stiftung, die mich mit einem Stipendium förderte, hat beispielsweise mehrere Abstimmungen zur Unterzeichnung des offenen Briefes revidiert, verhindert, dass ich auf Stipendiaten-Treffen Stellung beziehen kann, und indirekt allen Stipendiaten mit Rauswurf gedroht, wenn sie ihre Unterstützung für mich nicht zurückziehen.