Nach der Präsidentschaftswahl in Venezuela ruft die rechte Opposition zu Protesten auf. Kommunistische Partei gespalten

Guaidó 2.0?

Nach der Präsidentschaftswahl in Venezuela am vergangenen Sonntag ist die Lage in dem südamerikanischen Land angespannt. Die oberste Wahlbehörde CNE (Nationaler Wahlrat) hatte am späten Wahlabend nach Auszählung von 80 Prozent der Wahllokale Amtsinhaber Nicolás Maduro zum Sieger erklärt, er habe 51 Prozent der Stimmen erhalten. Auf seinen wichtigsten Kontrahenten, Edmundo González vom Rechtsbündnis MUD, entfielen demnach 44,2 Prozent, die übrigen acht Kandidaten kamen zusammen auf 4,6 Prozent. Die Wahlbeteiligung habe bei 59 Prozent gelegen. Ein Endergebnis lag bis Dienstag nicht vor, auch die vom CNE-Präsidenten Elvis Amoroso angekündigte Veröffentlichung der vollständigen Ergebnisse aus allen Wahllokalen war bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgt. Trotzdem wurde Maduro am Montag (Ortszeit) in einer offiziellen Zeremonie im Gebäude des CNE zum Wahlsieger und damit zum Präsidenten für die Amtszeit von Januar 2025 bis Januar 2031 erklärt.

Die rechte Opposition, aber auch mehrere Regierungen des Kontinents zweifelten die offiziellen Ergebnisse umgehend an. Maria Corina Machado, die eigentliche Führerin der rechten Opposition, sprach noch am Wahlabend davon, dass ihr Kandidat González mehr als 70 Prozent der Stimmen erhalten habe. Sie berief sich dabei auf die Angaben, die ihre Zeugen aus den Wahllokalen übermittelt hätten. Bei Wahlen in Venezuela haben alle beteiligten Parteien das Recht, Vertreter zur Beobachtung der Abstimmung und Auszählung in die Wahllokale zu entsenden. Es ist aber davon auszugehen, dass Zeugen des rechten Lagers vor allem in dessen Hochburgen in den Metropolen präsent waren, nicht aber in den ländlichen Gebieten, wo Maduros Sozialistische Partei PSUV nach wie vor große Unterstützung genießt. Schon von daher sind auch die Aussagen Machados mit Vorsicht zu genießen.

Angeheizt von Aufrufen der reaktionären Opposition und von Äußerungen ausländischer Staatschefs wie dem chilenischen Präsidenten Gabriel Boric, der die vom CNE veröffentlichten Zahlen als „wenig glaubhaft“ kritisiert hatte, gingen ab Montag in vielen Orten Venezuelas Menschen auf die Straßen, um gegen den mutmaßlichen Betrug zu protestieren. Dabei kam es immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen. So meldete das staatliche Fernsehen VTV am Dienstag, militante Oppositionelle hätten ein Krankenhaus in Coche, einem Stadtteil von Caracas, in Brand gesteckt. Ebenfalls in der Hauptstadt wurde ein gerade renovierter Busbahnhof zerstört. Die spanische Tageszeitung „El País“, die seit Jahren für ihre feindselige Haltung gegenüber der venezolanischen Regierung bekannt ist, meldete am Dienstag, dass mindestens fünf Denkmäler für den 2013 verstorbenen Präsidenten Hugo Chávez gestürzt oder in Brand gesteckt worden seien, der Tod von zwei Menschen im Zuge der „spontanen Proteste“ sei bestätigt worden.

Maduro selbst warnte am Montag vor Versuchen, erneut eine Welle von gewalttätigen Protesten in Gang zu setzen, wie es sie das Land vor allem 2014 und 2017 erlebt hatte. Damals hatten Straßenkämpfer der rechten Opposition in vielen Landesteilen Barrikaden errichtet und öffentliche Einrichtungen attackiert, die Zahl der Getöteten ging in die Hunderte. „Geschichte wiederholt sich, aber einmal als Tragödie und einmal als Farce“, sagte Maduro unter ausdrücklichem Bezug auf Hegel und Marx. „Heute rufe ich das Volk zur Offensive auf der Straße auf. Den Faschisten sage ich, dass sie nicht straflos davonkommen werden“, so der Staatschef.

Die jüngsten Entwicklungen haben auch die Spaltung der Kommunistischen Partei Venezuelas (PCV) verschärft. Im vergangenen Jahr hatte der Oberste Gerichtshof in undemokratischer Weise in die inneren Angelegenheiten der Partei eingegriffen und das von Generalsekretär Oscar Figuera geführte Zentralkomitee für abgesetzt erklärt. An seiner Stelle wurde eine „Ad-hoc-Führung“ um den bis dahin wenig bekannten Henry Parra eingesetzt. Dieser tritt seither im Namen der Kommunistischen Partei auf und hat diese zurück in den Schoß des Regierungslagers geführt. Wer am vergangenen Sonntag die Liste der PCV wählte, stimmte für Maduro.

Der seiner wahlpolitischen Möglichkeiten beraubte Parteiflügel um Figuera entschied im Vorfeld der Wahlen mehrheitlich, die Kandidatur des rechtsgerichteten Oppositionspolitikers Enrique Márquez zu unterstützen. Das rief scharfe Kritik auch in den eigenen Reihen hervor, denn Márquez hatte sich in der Vergangenheit an den Umsturzversuchen beteiligt und auch den von der Opposition eingesetzten Gegenpräsidenten Juan Guaidó unterstützt. Kurz vor der Wahl wurden nun zwei führende Mitglieder der PCV, die ihre Ablehnung dieser Unterstützung öffentlich machten, aus der Partei ausgeschlossen, unter ihnen der frühere Internationale Sekretär Carolus Wimmer. In einem am Dienstag verbreiteten Kommuniqué stellte sich der Figuera-Flügel der PCV auf die Seite der Protestierenden und warf der Regierung vor, dem Volk nach seinen sozialen und ökonomischen nun auch noch seine demokratischen Rechte rauben zu wollen. Das Volk habe am 28. Juli deutlich gemacht, dass es eine politische Änderung im Land wolle.

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"Guaidó 2.0?", UZ vom 2. August 2024



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