DKP Brandenburg zum dritten Bevölkerungsschutzgesetz

Grundrechte im Ausnahmezustand

Das jüngst verschärfte Infektionsschutzgesetz schützt die Herrschaft der Superreichen – nicht die Gesundheit der arbeitenden Menschen.

Am 18. November beschloss der Bundestag mit den Stimmen der Regierungskoalition und der Grünen das dritte sog. Bevölkerungsschutzgesetz. Im Zentrum des Gesetzes stehen faktisch unkontrollierbare Befugnisse für die Regierungen von Bund und Ländern, soziale und demokratische Rechte einzuschränken. Die Hauptleittragenden sind wieder die arbeitenden Menschen und ihre Familien.

Seit Monaten pfeifen Pflegekräfte aus dem letzten Loch, weil Gesundheitsminister Spahn an der Aussetzung der gesetzlichen Pflegepersonaluntergrenzen festhält. Zum zweiten Mal in diesem Jahr werden Operationen verschoben. Gleichzeitig wird in Frankfurt (Oder) bereits eine Haushaltssperre verhängt und in Eberswalde kündigt Bürgermeister Boginski (FDP) Sparmaßnahmen an. Das alles hätte vor einem Jahr noch zu Recht für große Empörung in der Öffentlichkeit gesorgt. Doch jetzt reicht den Regierenden hierzulande ein einziges Wort: Coronavirus. Und dieses Zauberwort war es auch, mit dem die Merkel-Regierung per Gesetz Grundrechte aushebelt ohne parlamentarische Kontrolle.

Unkontrollierte Grundrechtseinschränkung

Herzstück des neuen Gesetzes bildet die Neueinführung von § 28a im Infektionsschutzgesetz (IfSG). Dieser Paragraph sieht vor, dass die Regierungen von Bund und Ländern ohne parlamentarische Kontrolle per Verordnung massiv demokratische Grundrechte außer Kraft setzen können. Dazu gehören u.a. Ausgangssperren, die Schließung von Gemeinschafts-, Sport- und Freizeiteinrichtungen sowie das Verbot jeglicher Veranstaltungen und Versammlungen.

Während diese Eingriffe für die Reichen in ihren Villenvierteln erträglich sein mögen, bedeuten sie enorme Einschränkungen für die Masse der Menschen in bescheidenen Wohn- und Lebensverhältnissen.
Die Verfasser der Gesetzesverschärfung erwecken den Eindruck, die Regierung müsse sich bei den Grundrechtseingriffen an strikte Vorgaben halten. Dazu werden willkürlich festgelegte Zahlen an Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den letzten sieben Tagen angeführt. Das Problem: Diese Zahlen können unabhängig vom tatsächlichen Infektionsgeschehen durch Ausweitung der Testungen erreicht werden.
Doch selbst wenn die Tests nicht die entsprechende Zahl Neuinfektionen aufweisen, hält das Gesetz eine Hintertür offen für Grundrechtseinschränkungen: denn allein eine mögliche Überschreitung von z.B. 35 oder 50 Neuinfektionen ist laut § 28a ausreichend, um der Regierung einen Freifahrtschein für Grundrechtseinschränkungen auszustellen.

Gesundheitsschutz durch die Regierung? Fehlanzeige!

Die Merkel-Regierung gibt vor, die Verschärfung des IfSG diene dem Schutz vor dem Coronavirus. Bezeichnend ist: Alle sog. „Schutzmaßnahmen“ in § 28a schieben den Gesundheitsschutz auf den Bürger ab, während für die Regierung keinerlei verpflichtende Maßnahmen vorgesehen sind wie z.B. die erhöhte Taktung in öffentlichen Verkehrsmitteln oder die Aufstockung des Personals in Gesundheitsämtern, Krankenhäusern, Schulen und Kitas. Stattdessen sind Arbeiter und Angestellte gezwungen, ihre Kinder bei Kita- oder Schulschließungen unbeaufsichtigt zu Hause zu lassen. Denn in diesen Fällen gibt es keine Freistellungs- oder Entschädigungsansprüche.

Ausnahmezustand für Krisenabwälzung

Das verschärfte IfSG kommt in einem Moment, in dem großen Teilen der Bevölkerung der Absturz in die Armut droht. Die Kurzarbeit wird enden und die Aussetzung der Insolvenzmeldepflicht läuft Ende des Jahres aus. Gleichzeitig wird die Regierung angesichts leerer öffentlicher Kassen eine neue Runde bei Sozialkahlschlag und Privatisierung einläuten. Nicht zuletzt wird sie ihren Kriegskurs an der Seite der NATO-Partner gegen Russland und China fortsetzen. In diesem Szenario ist § 28a des IfSG im Zusammenspiel mit EU-Verordnungen oder der sog. Schuldenbremse ein wichtiges Instrument zur Unterdrückung von (notwendigen) Protesten. Gegen diese weitere Krisenabwälzung auf die arbeitenden Menschen Schutzmaßnahmen zu ergreifen – das ist Hauptaufgabe 2021.

Aus: Roter Brandenburger 4-2020

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