Die Situation ist einigermaßen verwunderlich. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Klimapolitik der Bundesregierung deutlich kritisiert – und erhält Zustimmung von allen Seiten, auch von den Kritisierten. In seinem Urteil hat das BVerfG die vom UN-Weltklimarat vorgestellten Klimamodelle als gewissermaßen gesicherte Faktenbasis akzeptiert und die im Pariser Klimaschutz-Abkommen beschlossene Zielprojektion als eine die deutsche Legislative und Exekutive bindende Norm in eine Art Verfassungsrang erhoben: „Das verfassungsrechtliche Klimaschutzziel des Art. 20a GG ist dahingehend konkretisiert, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur dem sogenannten ‚Paris-Ziel‘ entsprechend auf deutlich unter 2 Grad Celsius und möglichst auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.“
Bemängelt wurde demzufolge das Klimaschutzgesetz vom 12. Dezember 2019 vor allem wegen der fehlenden Konzeption für den Zeitraum von 2030 bis 2050. Die bisherigen Planungen für den Zeitraum 2020 bis 2030 verschöben „hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030“. „Die zum Teil noch sehr jungen Beschwerdeführenden“ seien dadurch „in ihren Freiheitsrechten verletzt“. Um das „Paris-Ziel“ zu erreichen, müssten „die nach 2030 noch erforderlichen Minderungen dann immer dringender und kurzfristiger erbracht werden“. Davon sei „praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen, weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht sind“.
Das BVerfG kritisiert völlig zu Recht die miserable Umweltschutz-Performance der schwarz-rosanen Dauerkoalition. Nur bedeutet die Kritik am Bestehenden noch lange nicht, dass damit dem Besseren eine Bresche geschlagen wird. In einer Gesellschaft, in der die Reichen und die Monopolkonzerne nahezu uneingeschränkt das Sagen haben, wird es schwer sein, sie an den Kosten für Infrastrukturmaßnahmen, Innovationen und Technologieeinführungen zu beteiligen. Sie werden, wie in den vergangenen Jahrzehnten erfolgreich praktiziert, jegliche Einschränkung abwehren.
Bezeichnenderweise definieren die Karlsruher Richter die „Emissionsminderungspflichten“ als einen Verlust von „Freiheitsrechten“. Ein Terminus, der hier kaum vermutet wird, der aber im Kontext der Corona-Maßnahmen eine hohe Aufladung bekommen hat. Zig Millionen wurden nachts eingesperrt, als wäre man im Krieg. Viele Pandemie-Maßnahmen werden als ebenso wirkungslos wie schikanös empfunden und stellen schon heute einen massiven, häufig völlig willkürlichen Eingriff des Staates in die bürgerlichen Freiheitsrechte dar. Das BVerfG deutet hier zart an, dass dieser Abbau bürgerlicher Freiheitsrechte auch im Bereich des Klimaschutzes weitergehen dürfte. Die „Öko-Diktatur“ scheint auch für Karlsruhe eine Zukunftsvision zu sein.
Mit der rechtlich irrelevanten Betonung des geringen Alters der „Beschwerdeführenden“ mobilisiert das BVerfG dazu den Kampfbegriff der Generationengerechtigkeit. Man kennt diese PR-Figur aus der Rentendebatte. Hier waren es die zahllosen noch rüstigen Alten, die den wenigen Jungen, statt zu arbeiten, faul auf der Tasche lagen. De facto ging es um die Durchsetzung einer völlig asozialen Rentenregelung. Damit ist auch das Label gefunden, unter dem die Lasten und Pressionen der bourgeoisen Klimapolitik verkauft werden sollen: Generationengerechtigkeit. Öko-Diktatur, weil die Arbeitslosen und Minijobber im Porsche Cayenne durch die Gegend gebrettert sind.