Ausgerechnet die CDU plakatiert „Für eine Wärmewende ohne soziale Kälte“. Die Partei, deren Existenzweise im Privatisieren von Staatsfinanzen besteht, wittert bei den Grünen zudem Korruption. Die sind allerdings gegenüber CDU/CSU, FDP und SPD noch erheblich im Rückstand. Die Affäre um die „grüne Familien-Clique“ (CDU-Generalsekretär Mario Czaja) belegt das: Die Verschwippung und Verschwägerung rund um Habeck bietet Stoff fürs Verharmlosungskabarett, aber nicht für einen Untersuchungsausschuss, wie ihn CDU-Chef Friedrich Merz erwägt. Selbst wenn Patrick Graichen ein Verstoß gegen das Beamtenrecht nachgewiesen werden kann und er gehen muss – der Vorwurf, irgendeiner seiner Verwandten und Bekannten habe sich illegal bereichert, wird bislang von niemandem erhoben.
Wichtiger ist der Kern der Angelegenheit, und da kennen sich Merz und Co. aus: Cliquen, Seilschaften, Bandenbildung zur gemeinschaftlichen Bedienung aus der Staatskasse – alles erlaubt, solange sich keiner erwischen lässt. Bürgerlicher Parlamentarismus besteht nach den Worten von Marx aus dem „Bürgerkrieg in Frankreich“ 1871 darin, „einmal in drei oder sechs Jahren zu entscheiden, welches Mitglied der herrschenden Klasse das Volk im Parlament ver- und zertreten soll“. Wobei Marx wusste, dass es sich bei der parlamentarischen Republik um eine weltgeschichtliche Errungenschaft handelte – Beispiel sein Brief vom 30. Dezember 1864 im Namen der Internationalen Arbeiterassoziation an US-Präsident Abraham Lincoln mit einem Glückwunsch zu dessen Wiederwahl und zum Sieg über die Sklavenhalter des Südens der USA. Die Arbeiter Europas hätten „sofort“ begriffen, dass es um sie ging, als „die Kontrerevolution mit systematischer Gründlichkeit sich rühmte, ‚die zur Zeit des Aufbaues der alten Verfassung herrschenden Ideen‘ umzustoßen, und ‚die Sklaverei als eine heilsame Einrichtung – ja als die einzige Lösung des großen Problems der Beziehungen der Arbeit zum Kapital hinstellte‘ und zynisch das Eigentumsrecht auf den Menschen als den ‚Eckstein des neuen Gebäudes‘ proklamierte“.
Die deutschen Grünen verlangen nicht die Sklaverei, sie sind „nur“ unter der Flagge von Bürger- und Menschenrechten Teil der antisozialen globalen Konterrevolution, die seit dem Ende der sozialistischen Länder Europas soziale Sicherungen und insbesondere Arbeitsschutzrechte pulverisiert. Eine CDU in der Opposition nutzt es gern aus, wenn ihr eine Grünen-Truppe, die mit ihrer Blindheit für soziale Fragen und ihrem militanten Gehabe an eine durchgeknallte Esoteriksekte erinnert, politisches Kapital liefert. Der „Spiegel“ nannte am 12. Mai einige Namen des Graichen-Netzwerks, „das wie kein anderes die deutsche Energie- und Klimapolitik lenkt“ – und zwar seit knapp 20 Jahren. Getragen wird es durch milliardenschwere Finanziers aus den USA. Graichen und Co. waren die Planer des Wirtschaftskriegs gegen Russland, der bislang in erster Linie die deutsche Industrie trifft. Das sprechen CDU und CSU so nicht aus, der Union war lediglich der Murks des Gesetzentwurfes, mit dem Millionen Haushalte zum Austausch ihrer Heizungen und zu Gebäudesanierungen gezwungen werden sollen, willkommener Anlass, den Unmut von Kapital und Bevölkerung zu schüren.
Mit Erfolg. Nach der Wahlschlappe der Grünen in Bremen entdeckte deren Vorsitzende Ricarda Lang am Montag, dass ihre Partei besser darin werden müsse, Klimaneutralität mit dem „materiellen Kern der sozialen Sicherheit zu verbinden“. Das kommt vielleicht zu spät: Sollte in Bremen eine Koalition von SPD und CDU gebildet werden, sind Rückwirkungen auf die Dreierregierung im Bund wahrscheinlich. Grüne „soziale Kälte“ gilt inzwischen als die Wiederwahl gefährdend. In der Berliner Luft liegt ein Hauch von Grünen-Dämmerung.