Zur Abschaltung der letzten deutschen Atomkraftwerke

Grüne Spaßbremsen

Es bleibt dabei: Der bundesdeutsche Ausstieg aus der Erzeugung elektrischen Stroms ist richtiger denn je. Die Anti-AKW-Bewegung hat seit ihrem Bestehen mit unterschiedlichen Akzentuierungen auf die grundlegenden Gefahren dieser Energiegewinnung hingewiesen. Anders als bei einem Kohle- oder Gaskraftwerk hat jede Havarie in einem Atomkraftwerk katastrophale Folgen in einem dicht besiedelten Land wie der Bundesrepublik Deutschland. Auch die Frage des Umgangs mit dem noch in tausenden Jahren hochgiftigen Müll aus diesen Kraftwerken ist und bleibt unbeantwortet. Die Erzeugung von Strom aus Kernspaltung ist unter den jetzigen gesellschaftlichen Bedingungen unverantwortlich.

Vor allem die Kommunistinnen und Kommunisten, die innerhalb dieser Bewegung wirkten, haben von Anfang an auf zwei weitere Aspekte der Atomenergie hingewiesen: Sie war in der BRD von Anfang an der Tarnmantel, hinter dem an der atomaren Bewaffnung der Bundeswehr gewerkelt wurde. Zweitens ist jedes Atomkraftwerk angesichts der Neigung des deutschen Imperialismus zu Abenteurertum und Krieg eine Zielscheibe für militärische Aktivitäten. In den 70er und 80er Jahren war noch nicht klar, wie erschreckend richtig dieses Argument noch werden sollte – allein dies ist angesichts der heutigen Kriegslage ein Grund zum Feiern der Abschaltung der letzten drei AKW.

Aber noch nicht einmal dazu haben die auf Kriegs- und Kapitalismusverteidigungskurs getrimmten „Grünen“ die Kraft. Verdruckst und flügellahm haben sie die Abschaltung mehr zur Kenntnis genommen als begrüßt. Auch das ist kein Wunder. Mit ihrem irrsinnigen Projekt, gleichzeitig mit der Atomkraft auf die einzig vernünftige Brückentechnologie – also russisches Erdgas – zu verzichten, haben sie die Tür für die „Atomkraft-ja-bitte“-Stimmung, die jetzt durch die Medien hochgeputscht wird, weit aufgestoßen. Die „Grünen“ haben sich selbst in die Defensive manövriert.

Weil sowieso nicht gefeiert wird, erübrigen sich auch fast die notwendigen Hinweise zur Trübung der eigentlich angesagten Partylaune. Deren gibt es einige: In Niedersachsen werden weiter Brennelemente für ausländische AKW gefertigt, die Forschungsreaktoren laufen weiter, die atomare Aufrüstung der Bundeswehr ist nicht vom Tisch, sondern droht ähnlich real zu werden wie die Gefahr des Atomtods.

Und während Energiekonzerne mit dieser Technik Milliarden gescheffelt haben, stehen nicht sie, sondern die Steuerzahler alleine in der Kreide. Sie sollen für die Milliarden aufkommen, die es kosten wird, das Gift die nächsten zigtausend Jahre aufzubewahren – in der vagen Hoffnung, dass das Trinkwasser zum Beispiel in der Asse bei Braunschweig auch im 22. und 25. Jahrhundert noch trinkbar ist.

Folgerichtig wäre es daher, das Kapitel jetzt nicht für abgeschlossen zu erklären, sondern sich energisch an die Aufräumarbeiten dieser giftigen Hinterlassenschaft zu machen. Dazu gehört zum Beispiel die Investition in die unverzügliche Rückholung der in der Asse ins Salz gekippten Fässer mit radioaktivem Abfall, die endgültige Schließung der Forschungsreaktoren, die eben auch eine militärische Komponente haben, und die dauerhafte finanzielle Heranziehung der Energiekonzerne, die am Atomkraft-Zeitalter ihre Kassen gefüllt haben.

Ob dann künftige Generationen das technische und gesellschaftliche Know-how haben, um die Atomenergie entlang der Linie „Wenn AKW, dann VEB“ noch einmal aufzugreifen, können wir getrost denen überlassen, die die jetzige Epoche des komplizierten Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus erfolgreich bewältigt haben.

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"Grüne Spaßbremsen", UZ vom 21. April 2023



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