Deutschland kann so viel mehr“ strahlt Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock bei der Vorstellung des Entwurfs für das Bundestagswahlprogramm ihrer Partei. „Deutschland. Alles ist drin“ heißt es und stellt auf über 130 Seiten Standpunkte für eine „sozial-ökologische Transformation“ vor. Das Papier soll im Juni auf einem Parteitag beschlossen werden.
Mit Stichworten wie „fairer und nachhaltiger Handel“ und „gerechte Weltwirtschaftsordnung“ wird eine deutsche Vision für die internationale Ordnung gezeichnet, die die einst aus der westdeutschen Friedensbewegung hervorgegangene Partei als regierungsfähig ausweisen soll. Dafür reiht sie sich in die transatlantische Strategie bundesdeutscher Außenpolitik ein. Der Grüne Bundesvorstand möchte angesichts des festgestellten „Systemwettbewerbs zwischen demokratischen Staaten und China (…) die Beziehungen mit unseren Partnern im Einsatz für Demokratie und Freiheit stärken.“ (Seite 42)
Gegen Russland und China
Dieser Systemwettbewerb wurde vom Industriekapitalistenverband BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie) bereits vor zwei Jahren durch vier Merkmale der chinesischen Wirtschaft charakterisiert: Führung durch die Kommunistische Partei Chinas, staatliche Wirtschaftseingriffe, aktive Industrie- und Technologiepolitik sowie Benachteiligung ausländischer Investoren. Darauf aufbauend fordern die Grünen unter der Überschrift „Aktive Außenwirtschaftspolitik und fairer Wettbewerb“ nun in ihrem Wahlprogramm-Entwurf: „Die Anti-Dumping-Regeln müssen noch stärker als bisher auch bei Dumping durch niedrige ökologische und soziale Standards anwendbar sein“ (ebenda). Dem deutschen Niedriglohnsektor, welcher der größte in Europa ist, wird im Entwurf eine wie auch immer geartete „sozial gerechte Arbeitspolitik“ entgegengestellt. Dass sich mit der vorgeschlagenen Erhöhung des Mindestlohns wirklich etwas ändert für die Wanderarbeiter beim Fleischfabrikanten Tönnies zum Beispiel kann bezweifelt werden. Vorgeblich ändern soll sich mit den vorgeschlagenen Methoden, wie dem Lieferkettengesetz, aber etwas für Wanderarbeiter in China.
EU gegen den Rest der Welt
„Die transatlantische Partnerschaft bleibt ein Stützpfeiler der deutschen Außenpolitik (…) Das schließt eine Verständigung über den Umgang mit autoritären Staaten wie China und Russland mit ein.“ (Seite 12) Damit befinden sich die Grünen auf einer Linie mit der „schwarz-roten“ Bundesregierung. Doch machen sie den Strategen deutscher Souveränität ein Angebot zur Änderung des innerimperialistischen Kräfteverhältnisses. Während sich Russland und China angesichts der Konfrontation gegen ihre Länder langfristig für einen Ausschluss aus dem Dollar-dominierten internationalen Zahlungssystem vorbereiten, bereiten sich die Grünen schon auf eine Regierungszeit vor, in der der deutsche Platz an der Sonne schon in der Konkurrenz verschiedener Währungssysteme ausgetragen werden könnte. Im Entwurf heißt es: „Wir wollen, dass sich der Euro zu einer glaubwürdigen, internationalen Leitwährung entwickelt, damit Europa seine Souveränität bewahrt und ausbaut. (…) Der Euro ist ein wesentlicher Baustein einer umfassenden Strategie, die europäische Werte auf der globalen Ebene stärkt und durchsetzt.“ (Seite 47)
Es wird deutsch gesprochen
Doch für eine solche Euro-Politik braucht es eine geeinte EU: „Blockaden durch einzelne Staaten in Bereichen wie der Außen- und Sicherheitspolitik (…) können wir uns nicht länger leisten. Solange nationale Einzelinteressen das europäische Gemeinwohl ausbremsen können, wird die EU keine aktivere Rolle etwa für mehr Steuergerechtigkeit oder mehr Verantwortung für Demokratie und Menschenrechte in der Welt übernehmen können. Darum setzen wir uns dafür ein, für alle verbleibenden Politikbereiche, in denen heute noch im Einstimmigkeitsprinzip entschieden wird, Mehrheitsentscheidungen in Mitentscheidung des Europäischen Parlaments einzuführen.“ (Seite 113) Die bisherigen EU-Reformen im Sinne von qualifizierten Mehrheiten haben bisher gezeigt, dass sich die Großen im Staatenbund selber übervorteilen und deshalb in EU-Europa „wieder Deutsch gesprochen“ wird. Die Hetze gegen den äußeren Feind dient schließlich auch dem Gleichschritt an der Heimatfront.