UZ dokumentiert den Redebeitrag von Ursula Vogt aus Regensburg, den sie im Erfahrungsaustausch zur Parteistärkung gehalten hat.
Ich möchte zu drei Punkten aus der gestrigen Diskussion Stellung beziehen. Zum kampagnenmäßigen Arbeiten, zum gründlichen und kollektiven Denken und zum exemplarischen Arbeiten.
Genossinnen und Genossen, es ist nicht sinnvoll, aufzulisten, was wir alles nicht schaffen. Wir sind alle mit vielem unzufrieden. Selbstverständlich. Wir haben riesige Aufgaben vor uns und wir alle haben Angst vor der Entwicklung in diesem Land. Wir müssen unsere Arbeit gewichten. Zu dem Thema kampagnenmäßiges Arbeiten ist vieles gesagt worden. Hier haben wir Fortschritte gemacht. Das ist wichtig, um rauszukommen aus dem Abarbeiten von Kaufhauskatalogen an Aufgaben und Forderungen. Wir müssen zu einer gemeinsamen, kollektiven Arbeit finden.
In Regensburg haben wir eine Erklärung zum Leitantrag verabschiedet, die in der UZ zu lesen war. Die Überschrift heißt „Gründlich und kollektiv denken“. Die Diskussion um den Leitantrag zeigt ein Problem in unserer Partei. Wir haben einen 18-seitigen Leitantrag und über 430 Änderungsanträge.
Genossinnen und Genossen, so etwas darf uns nicht mehr passieren. Wir haben heute nicht mehr die Genossinnen und Genossen, die Strukturen, das Geld, die Hauptamtlichen, um so mit unserer Zeit und Kraft umzugehen. „Gründlich und kollektiv denken“ bedeutet, dass wir überlegen müssen, zu welchen Fragen in diesem Land wir uns mit unseren Kräften einbringen. Im Referat und auch im Leitantrag ist richtig formuliert, dass es unsere Aufgabe ist, die Klassenfrage zu stellen.
Damit bin ich bei unserem Verhältnis zu Bündnissen. Ich habe den Eindruck, dass es fast eine Todsünde ist, wenn man es wagt, eine Bewegung zu kritisieren. Es ist doch an sich noch kein Fortschritt, wenn sich was bewegt. …
Ich will zwei Beispiele nennen. Das erste ist „Aufstehen gegen Rassismus“. Dieser Kampagne stehe ich von Anfang an kritisch gegenüber. Es reicht nicht aus, wenn man die Befindlichkeit der Menschen zum Hauptthema einer Kampagne macht. Die Hauptfrage – „Wo ist der Gegner?“ – wird nicht gestellt. Ein typischer Fehler dieser Kampagne ist, dass sie nach der Wahl des FDP-Mannes Kemmerich mit den Stimmen der AfD in Thüringen von einem „Dammbruch“ spricht. Das war alles andere als ein Dammbruch. Es war eine logische Konsequenz dieses Systems.
Mir geht es nicht darum, besserwisserisch aufzutreten und im Bündnis zu sagen: „Ihr habt aber die Klassenfrage nicht gestellt.“ Das wird wohl kaum verstanden. Mir geht es um eine Diskussion, wie wir mit solchen Bewegungen umgehen, worauf wir unsere Kräfte konzentrieren. Das muss Bestandteil unserer kollektiven Debatte sein.
Das zweite Beispiel ist „Fridays for Future“. Wir waren alle überrascht von dieser Dynamik und haben uns mit der Bewegung auseinandergesetzt. In unserer Gruppe hatten wir ganz unterschiedliche Einschätzungen. Die einen fanden es sehr positiv, dass so viele Jugendliche auf die Straße gehen, andere stehen der Bewegung sehr kritisch gegenüber. Dann haben wir gesagt, okay, wir gehen da jetzt mal mit der UZ hin und verteilen und gucken, was dabei rauskommt.
Es ist nicht notwendig, dass wir sofort die absolute und gültige Einschätzung zu einer Bewegung haben. Wir müssen uns die Zeit nehmen, zum Beispiel ihre Zusammensetzung und ihre Forderungen zu überprüfen und die Frage zu stellen: Wie können wir eingreifen? In Regensburg haben wir diskutiert, dass es unerklärlich ist, warum diese jungen Menschen zwar die Zerstörung der Umwelt sehen, aber nicht die Zerstörung der Menschheit weltweit. Auch ein CO2-neutraler Panzer ist scheiße. Bitte lasst uns alles mit etwas mehr Geduld machen. Lasst uns Wege finden, wie wir gründlicher diskutieren.
Exemplarisch arbeiten. Wir haben keine einheitlichen Bedingungen an allen Orten. Die einen können das besser, die anderen das. Wir können nicht alle dasselbe tun. Wir müssen unsere Arbeit mehr auswerten. Der Erfahrungsaustausch zur Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit auf diesem Parteitag war toll. Es wurde deutlich, was in den Betrieben passiert und was unsere Genossinnen und Genossen beitragen. Solche Dinge müssen wir auswerten. Dazu gehört auch eine bessere Zusammenarbeit der Strukturen der Partei, zum Beispiel mit der Bildungskommission, dem Parteivorstand und der UZ.
Ich bin selbst oft furchtbar unzufrieden und ungeduldig. Wer mich kennt, weiß das.
Aber wir sind seit dem 20. Parteitag auf dem schwierigen Weg heraus aus Handwerkelei, Anbetung von Bewegungen und ideologischer Beliebigkeit. Das ist ein schwieriger Weg, der uns an Grenzen bringt. Solche Veränderungsprozesse sind furchtbar mühsam. Wir werden Erfolge nicht auf die Schnelle an Mitgliederzahlen ablesen können. Sich heute bei den Kommunisten zu organisieren, ist nichts, was man einfach so macht. Und trotzdem gilt: Es ist sinnlos, kein Kommunist zu sein.