Atomkraftwerke, Männerfußball und andere Katastrophen

Grotesk

Von Karl Rehnagel

Eigentlich wollte ich ein weißes Blatt Papier in der Redaktion einreichen, eine noch bessere Beschreibung der Dortmunder „Leistung“ ging eigentlich nicht. Das war: nichts. Auf einer Notenskala von eins bis sechs ungefähr eine Zwölf. Man versteht es nicht. Natürlich haben die Bayern eine sehr gute Mannschaft, natürlich gibt ein Trainerwechsel neue Impulse. Aber hat Hansi Flick, der neue Bayern-Trainer, dem Julian Brandt etwa untersagt, einen Zweikampf zu bestreiten, Manuel Akanji verboten, einen Pass über drei Meter zu spielen, der auch ankommt, oder Jason Sancho, am Spiel teilzunehmen? Wohl eher nicht. Der Kicker urteilte über die BVB-Spieler: „Körperlos und läppisch“. Leider wahr. Grotesk.

Ähnlich gruselig war die Rückkehr in alte Gefilde. Bei diesen „Events“ gegen Schalke oder Bayern sind alle Spelunken in Dortmund bis unter die Decke voll, in unserer alten Kneipe hatten wir immerhin noch unsere Stammplätze. Aber auch hier: rappelvoll, und wenn schon meine Ex nebst neuem Mann zu einem Fußballspiel einschwebt, weiß man, es geht nicht um Sport, es geht um Party machen. Brrrr. Die schöne M. spielte das Spiel mit, lachte falsch und furchtbar laut, herzte jeden (also fast, mich nicht), strahlte wie ein Atomkraftwerk vorm Super-Gau und plauderte, als wäre es wohl der letzte Tag auf Erden. Grotesk.

Bayern machte aus 18 Torschüssen immerhin vier Tore, wir aus zwei (!) keines. Gartenbro A. und ich gingen 10 Minuten vor Schluss, soweit ich mich entsinnen kann, zum allerersten Mal überhaupt. Das sagt eigentlich alles. Und sonst? Schalke schafft es, eine dreimalige Führung zu Hause gegen Düsseldorf zu verdaddeln. Rouwen Hennings, nach meiner Einschätzung der einzige Düsseldorfer, auf den man wirklich aufpassen muss, glich dreimal aus. Lustig. Gladbachs Lauf geht fröhlich weiter, ein 3:1 gegen Bremen bedeutet weiterhin: Spitzenreiter. Leipzig ist auch weiter auf Siegestour (4:2 in Berlin) und auch Hoffenheim siegt (2:1 in Köln). Die haben anscheinend jetzt fünfmal hintereinander gewonnen, hatte ich gar nicht auf dem Schirm. Ach ja, und Union Berlin hat gewonnen, 3:2 in Mainz. Schön für die Eisernen, die jetzt auf einem äußerst respektablen 11. Platz stehen. Wahrscheinlich spielen die den „Männerfußball“, den Dortmunds Manager Zorc für den BVB so eingefordert hatte. Peinlich. Da lob ich mir ausnahmsweise mal die Engländer: 80 000 Zuschauerinnen und Zuschauer beim Fußball-Länderspiel England gegen Deutschland – der Frauen!

Gartenbro A. und ich gingen noch auf eine Party, tranken uns durch die Vorräte und speisten vegetarisches Buffet. Das kann man mal machen, aber so ein bis zwei gut gewürzte Frikadellen hätten den Abend nun auch nicht deutlich verschlechtert. Stattdessen legte ich noch alte Hits auf und brachte die anwesende Menschheit zum Tanzen, was ich ganz gut kann. Also Musik auflegen. Das Tanzen, welches ich mir dann leider auch nicht nehmen ließ, ist bei mir dann eher so: Grotesk.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Grotesk", UZ vom 15. November 2019



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Flugzeug.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit