Durchbruch für chinesisch-arabische Beziehungen

Großer Bahnhof für Xi Jinping

Allein die Tatsache, dass Xi Jinping zu einer mehrtägigen Auslandsreise aufgebrochen war, signalisierte, dass sich große Dinge anbahnten. Der chinesische Präsident ist während der Pandemie kaum ins Ausland gereist.

In Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad wurde er mit – man kann sagen großen, geradezu pompösen – Ehren empfangen. Selbst König Salman ibn Abd al-Aziz Al Saud, der nur mit Mühe am Stock gehen kann, war aufs Rollfeld gekommen, um den chinesischen Staatsgast zu begrüßen. Xis Empfang stand in krassem Gegensatz zur Visite des US-Präsidenten. Joseph Biden hatte den starken Mann Saudi-Arabiens, Mohammed bin Salman, als Mörder bezeichnet und das „repressive“ Saudi-Arabien zu einem „globalen Paria“ stempeln wollen. Das war in Riad nur mäßig gut angekommen. Als Biden im Juli nach Riad flog, um die „russische Aggression“ zu kontern und China

„niederzukonkurrieren“, war Salman nicht sonderlich geneigt, dabeimitzumachen. Biden hatte gebeten, die Ölproduktion zu steigern, um die steigenden Öl- und Gaspreise zu senken. Salman, der sich ganz offensichtlich ausgezeichnet mit Wladimir Putin versteht, hatte nichts dergleichen getan. Die beiden hatten nicht vor, ihre Staatseinnahmen zu kannibalisieren – dergleichen wollte man doch lieber den Europäern überlassen. OPEC+ hatte unter ihrem Einfluss die Förderquoten um zwei Millionen Barrel pro Tag gesenkt. Das war vom Weißen Haus nicht ganz zu Unrecht als Schlag ins Gesicht gewertet worden.

Nun, beim Besuch von Xi, ein völlig anderes Bild. Der chinesische Staatschef und seine hochrangige Delegation kamen nicht nur mit der saudischen Führung zusammen, sondern nahmen auch in Riads internationalem Kongresszentrum am ersten Gipfeltreffen Chinas mit den Staatschefs der 21 Staaten der Arabischen Liga und ebenso an einem ersten Meeting mit den sechs Führern des Golf-Kooperationsrates (GCC) teil. Xi lobte die Treffen als „Meilensteine“ und nannte die GCC-Staaten „natürliche Partner“ Chinas bei der Entwicklung von „Kooperation, Entwicklung, Sicherheit und Zivilisation“. Der Besuch wird von Peking als „die größte diplomatische Initiative in der arabischen Welt“ eingeschätzt.

Chinesen und Saudis unterzeichneten bei diesem Besuch 34 Verträge im Wert von rund 30 Milliarden US-Dollar. Im Kern geht es um saudische Fossilenergieexporte und im Gegenzug um chinesische Investitionen und Technologieexporte. Huawei Technologies wird 5G-Hightech-Komplexe mit Cloud Computing-Fähigkeiten in saudischen Städten erstellen. Saudi-Arabien will im Rahmen seines Modernisierungsprogramms „Vision 2030“ eine eigene Produktion von Elektroautos (EV) in Dschidda aufbauen. Die Marke heißt Ceer. Ceer ist ein Joint Venture mit dem Technologiegiganten Foxconn. Die Saudis halten außerdem 61 Prozent Anteile an der US-EV-Marke Lucid, der Rest ist größtenteils im Besitz von Chinesen. Die Saudis wollen später mehr als 300.000 Elektrovehikel pro Jahr bauen. China besitzt mit 53 Prozent den weltgrößten Markt für Elektroautos. Dort sollen bis 2035 50 Prozent aller Neuzulassungen einen Elektroantrieb besitzen. Für die ambitionierten saudischen Produktionspläne ist China ein entscheidender Markt und ein wichtiger Technologiepartner.

„Vision 2030“ setzt auch ehrgeizige Ziele bei der Energietransformation. Erneuerbare Energie soll bis 2030 50 Prozent des Energieerzeugung darstellen. Das „Net-Zero“-Emissionsziel soll bis 2060 erreicht werden. Bis 2030 sollen 3 Millionen Tonnen „grüner Wasserstoff“ pro Jahr produziert werden. China hat nahezu identische Dekarbonisierungsziele und erzielte 2021 mit einer Leistung von 1.063 Gigawatt 44,8 Prozent seiner gesamten Generatorenleistung mit erneuerbarer Energie. Das Land gehört auf diesem Sektor zu den führenden Technologiestaaten und hat seit 2013 mehr als 30 Milliarden US-Dollar in Saudi-Arabiens Strukturreformen investiert. Das Engagement soll im Rahmen der Belt and Road Initiative (BRI) weiter intensiviert werden.

Saudi-Arabien hat nicht nur Interesse an der BRI, sondern auch an der Shanghai Cooperation (SCO) und an den vor einer erheblichen Expansion stehenden BRICS-Staaten. Neben Saudi-Arabien haben nach Aussage des russischen Außenministers Sergej Lawrow mehr als ein Dutzend weiterer Länder Interesse an einer Mitgliedschaft bekundet. Eine so entstehende BRICS+, eine G20 der Eurasischen Kooperation und des Globalen Südens, könnte auch das Format sein, mit dem die Neufundierung einer globalen Währung gelingen kann, die nicht, wie der Dollar, zum Machtinstrument der US-Hegemonialpolitik und zum Exportvehikel der US-Schulden und -Defizite geworden ist. Diese Währung soll rohstoff- und goldbasiert sein, also reale Werte reflektieren und nicht – wie der US-Dollar – durch eine Zentralbank spekulativ aufgeblasen werden können. Über ein integriertes Kartensystem wird ebenso diskutiert wie über digitale oder blockchainbasierte Varianten. Saudi-Arabien und die ölproduzierenden Staaten insgesamt sind für die Durchsetzung dieser neuen Währung ebenso entscheidend wie sie es bei der Durchsetzung des US-Dollar als Weltreservewährung waren. Jeder braucht Öl, und so brauchte jeder Dollar. Nun wird ebenso in Rubel und Yuan gehandelt. Klar ist aber auch: Hier betreten die Akteure vermintes Gelände. Saddam Hussein ist deshalb gestorben, Muammar al-Gaddafi ebenso. Das Pentagon hat Stützpunkte in fast allen diesen Staaten.

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"Großer Bahnhof für Xi Jinping", UZ vom 16. Dezember 2022



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