Der Vorstand der ELP tagte in Wien

Größer werden – aber für welche Politik?

Von Günter Pohl

Vom 25. bis 27. September tagten in Wien Vorsitzende und Vorstand der Europäischen Linkspartei (ELP). Zudem wurde durch eine separate Arbeitsgruppe die dritte Mittelmeerkonferenz, eine Tagung arabischer und südeuropäischer Linksparteien, vorbereitet.

Dazu waren Vertreter/innen diverser arabischer Länder angereist; Rabih Deiraki von der Libanesischen KP bekam im Plenum des Vorstands die Gelegenheit über die Situation syrischer Flüchtlinge im Libanon und die Auswirkungen der teils untragbaren Zustände zu sprechen. Mehr als eine Million Syrer/innen sind im Nachbarland untergekommen, das selbst gerade vier Millionen Einwohner hat. Hilfe bekommen die Flüchtlinge weder von den UN noch von der libanesischen Regierung; Druck auf beide mahnte Genosse Deiraki an.

Überhaupt hat das Thema Flüchtlinge auch bei der ELP den Dauerbrenner „Griechenland“ in Quantität und Intensität der Debatten erreicht; eine prägnante Erklärung wurde nach produktiver Diskussion verabschiedet. Pierre Laurent, Vorsitzender der Europäischen Linkspartei, hatte im Einführungsreferat zuvor „den Kriegführenden die Verantwortung für die Flüchtlingskrise“ gegeben. Vorschläge für eine Quote bei der Verteilung der Menschen müssten von einer Lösungssuche für Frieden im Nahen und Mittleren Osten begleitet sein. In der ELP seien die Positionen dazu unterschiedlich. Das gelte auch hinsichtlich der Bewertung des von Syriza mit der Troika ausgehandelten Memorandums. Millionen hätten in den letzten Monaten gesehen, dass die Austeritätsprogramme beendet werden müssten, so Pierre Laurent; in dem Sinne sieht er die ELP mit dem Anstoß zum „Bündnis gegen Austerität“ gut aufgestellt, für die auch der Europäische Gewerkschaftsbund bei seiner in diesen Tagen laufenden Konferenz mobilisiert werden sollte. Breiten Raum nahmen im Referat des Vorsitzenden die Aktionswoche gegen TTIP sowie die Klimakonferenz Ende November in Brüssel ein. Einen Ausblick gab er auf den 5. Parteitag der ELP nächstes Jahr in Deutschland.

„Die griechische Regierungspartei Syriza

sah wenig Anlass für Selbstkritik.“

Die griechische Regierungspartei sah wenig Anlass für Selbstkritik, was die Regierungsarbeit angeht; mit dem Memorandum habe man für drei Jahre „stückweise Maßnahmen“ verhindern können. Dass man wiederum mit der ausländerfeindlichen Partei ANEL koaliert, sei letztlich die Schuld der „Volkseinheit“ (LAEN), der Gruppe, die Syriza nach deren Zustimmung zum Memorandum verlassen hatte. Der Mitgliederverlust beträgt 13 Prozent, auf ZK-Ebene war es fast die Hälfte; die Jugendorganisation müsse neu aufgebaut werden. LAEN hat in wenigen Wochen einen Kongress, bei dem es nach Einschätzung von Syriza zunächst um einen Machtkampf zweier Führungsfiguren gehe; erst nach einer offiziellen Parteigründung werde vermutlich um Anschluss an die ELP angefragt. Möglich sei nach der Wahlschlappe aber auch ein Niedergang der Formation.

Diverse Redner/innen beglückwünschten Syriza zum neuerlichen Wahlsieg, aber die Euphorie des Januar war nicht mehr zu spüren. Allgemein wurde eine zu geringe Mobilisierung zu Gunsten der griechischen Regierung konstatiert. Dass diese im betroffenen Land selbst von Syriza auch nicht organisiert wurde, kam leider nicht zur Sprache. Eine Debatte über die Machbarkeit von Reformen gegenüber der EU wäre der ELP tatsächlich zu wünschen, jedoch ist die theoretische Debatte angesichts so unterschiedlicher Mitgliedsorganisationen einerseits schwierig, andererseits aber auch nicht populär – für die einen ist revolutionäre Theorie als Basis für revolutionäre Arbeit lange her, für die anderen ist sie konzeptionell völlig neu und wieder andere verbergen ihre Haltung hinter Ideen wie „Transformation“. Die Diskussion des von Diether Dehm (Die Linke) eingebrachten Textes über einen von ihm so genannten „populären Antiimperialismus“ zeigte absolut konträre Haltungen gegenüber Positionen und Begrifflichkeiten der traditionellen Linken.

„Inhaltliche Unterschiede innerhalb der ELP –

Bereicherung oder Beliebigkeit?“

Die ELP selbst war Gegenstand aufschlussreicher Diskussionen beim Tagesordnungspunkt „Erweiterung“. Einige Organisationen haben Mitgliedschaft oder Beobachterstatus bei der ELP beantragt, von denen das parlamentarisch erfolgreiche Bündnis der „Vereinten Linken“ aus Slowenien noch die interessanteste zu sein scheint. Manchen Vertreter/inne/n von Mitgliedsparteien gilt eine Vergrößerung als solche bereits für erstrebenswert; andere verweisen auf die reale Größe und politische Verankerung von Grüppchen, die teils kaum 50 Personen übersteigen. De facto war die Steigerung der Mitgliedszahlen bei der ELP seit Jahren häufig auf Organisationen zurückzuführen, die in ihren Ländern weder bekannt noch inhaltlich relevant sind. Konkret gibt es eine Anfrage einer solchen Vereinigung aus Belgien, die zudem für ein striktes Abtreibungsverbot eintritt.

Die Europäische Linkspartei ist – wie jede politische Organisation – in ihrem Charakter das Produkt der Charaktere ihrer Mitglieder. Ist das bei Menschen als Parteimitgliedern zuweilen schon nicht einfach, so kann bei einer Partei von Parteien, deren Inhalte in ihren jeweiligen Programmen verschriftlicht sind, die Aneinanderreihung aus möglicherweise durchaus bereichernden Unterschieden am Ende eine Beliebigkeit summieren. Der sehr kritische Redebeitrag der ELP-Beobachterin AKEL, dass die „ELP ihre Essenz verlieren“ könne, wirft Licht auf die Frage, wohin die ELP gehen möchte.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Größer werden – aber für welche Politik?", UZ vom 2. Oktober 2015



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Haus.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit