EU und Tsipras sehen Ende der Krise – KKE kritisiert Politik für das Kapital

Griechenland im Oktober

Von Uwe Koopmann

Sieben Jahre Daumenschrauben: 2010 gab es für Griechenland einen ersten „Rettungsschirm“ von der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Es gab aber keine Rettung. Jedenfalls nicht für Arbeiter, Rentner, Krankenhäuser, Schulen, Universitäten – für die Arbeiterklasse. Die Bilanz liest sich im „Handelsblatt“ oder in der „Griechenland Zeitung“ (Athen) so: Seit Beginn der Wirtschaftskrise in Griechenland habe sich die Zahl der Teilzeitarbeiter und Langzeitarbeitslosen fast verdreifacht. 645 000 Stellen seien in Landwirtschaft, Industrie, auf dem Bau und im Einzelhandel verloren gegangen. Die Gewerkschaft GSEE habe ermittelt, dass das Durchschnittsgehalt der Teilzeitarbeiter bei monatlich 397 Euro liege.

Für den EU-Ministerrat ist anscheinend alles in Ordnung: Das Defizitverfahren wurde am 2. Oktober eingestellt. Jetzt seien Griechenlands Finanzen „in viel besserem Zustand“. So der augenblickliche Ratsvorsitzende Toomas Töniste. Auch Ministerpräsident Alexis Tsipras (Syriza) scheint zufrieden zu sein. Er sieht das Ende der Krise. Diese Einschätzung teilt er mit Jeroen Dijsselbloem. Wenn Griechenland die immer noch eingeforderten „Reformen“ umsetze, werde es auch Geld an den Märkten bekommen. Das dritte „Hilfsprogramm“ von 2015 – bis zu 86 Milliarden Euro – läuft noch bis Mitte kommenden Jahres.

Finanzminister Euklid Tsakalotos (Syriza) ist geradezu begeistert. Er will die Auflagen erfüllen. Gleichzeitig bejubelt er die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen. In diesem Jahr sollen es 20,2 Prozent sein, bis zum Ende des kommenden Jahres dann „nur“ noch 19,0 Prozent. Nach Abgaben des Statistikamtes „Eurostat“ gibt es in der Eurozone 14,75 Millionen Arbeitslose. Das entspricht etwa 9 Prozent. Es bleibt die Frage, woher die Syriza-Politiker ihre Zufriedenheit schöpfen.

Die KKE kommt da zu einer ganz anderen Einschätzung. Anlässlich eines Vortrags von Alexis Tsipras bei der Internationalen Messe in Thessaloniki kritisiert das ZK der KKE, der Ministerpräsident habe sich fast ausschließlich an das Kapital gerichtet und seine Regierung als den „besten ‚Dealer’ der Unternehmensgruppen und der Investoren“ angepriesen. Für das Volk habe Tsipras lediglich leere Versprechungen über ‚soziale Gerechtigkeit’ und ‚Linderungsmaßnahmen’. Weiter heißt es vom ZK der KKE, „dass das versprochene Wachstum unter Bedingungen niedriger Löhne, flexibler Arbeitsverhältnisse, fehlender Tarifverträge für die Arbeiterklasse und die Volksschichten, und Steuerbegünstigungen für das Kapital und die Unternehmen stattfinden wird“.

Bei einer Großkundgebung der „Kämpferischen Arbeiterfront“ (PAME) – ebenfalls in Thessaloniki – wurde betont: „Wir kämpfen um Erhöhungen der Löhne, der Renten und der Sozialleistungen, gegen die Bestrebungen und die Strategie der kapitalistischen Großarbeitgeber. Wir starten unsere Gegenoffensive und verstärken die Keime des Widerstands, damit der Kampf mit Plan und Entschlossenheit für eine harte Auseinandersetzung überall getragen wird. Zusammen mit unseren verbündeten Bauern, den kleinen Gewerbetreibenden und Händlern, zusammen mit den Studierenden rufen wir zur Organisation des Kampfes im Betrieb, in der Bildungseinrichtung, überall in Stadt und Land auf. Kein Kompromiss mit einem Leben in Armut und Misere!“

Anfang des Monats wurde die „Streikfront“ erweitert: Die griechischen Journalisten legten ihre Arbeit nieder „für anständige Löhne und Renten“. Damit machten sie auf die bedrohte Renten- und Sozialversicherungskasse EDOEAP aufmerksam. Außerdem ging es um die Beseitigung der Arbeitslosigkeit im Medienbereich und um die Absicherung von Rahmentarifverträgen für Journalisten.

Neben dem Engagement der Regierung für die Kapitalinteressen deutet sich nun auch ein Kniefall oder gar eine Zuarbeit von Syriza zur Sicherung der US-amerikanischen Militärstrategie an: Es geht um die Verlagerung von US-Truppen zum Standort Araxos bei Patras, der drittgrößten Stadt Griechenlands auf dem Peloponnes, und nach Souda auf Kreta. Die KKE-Zeitung „Rizospastis“ berichtete, dass die Verlegung der Truppen mit einer Stationierung von Atomwaffen verbunden sei. Auffällig sei das Stillschweigen der Regierung. Die Gewerkschaft Bau hat zusammen mit zahlreichen anderen Organisationen in Patras beraten, wie der Widerstand gegen die Stationierung organisiert werden kann.

Interessant ist auch der mehrheitliche Beschluss des Stadtrates von Patras, die verfügbaren Barmittel der Kommune nicht an die Bank von Griechenland zu überweisen, wie der Staatssekretär für Finanzpolitik aufgrund eines Erlasses von 2015 forderte. „Wir bestehen auf unsere Position, keinen Euro aus den Barmitteln der Stadt an die Bank von Griechenland und an die Gläubiger zur Verfügung zu stellen. Dieses Geld ist für die Menschen der Stadt und ihre Bedürfnisse da!“, hieß es im Stadtratsbeschluss.

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"Griechenland im Oktober", UZ vom 13. Oktober 2017



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