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Eine Aufgabe der Geschichtspropaganda kann darin bestehen, über die Dokumentation regionaler Geschichtsforschung, die kulturelle Hegemonie der herrschenden Klasse, aufzubrechen, realistischer eingeschätzt zumindest anzukratzen. Der Arbeitskreis Regionalgeschichte der Geschichtskommission beim Parteivorstand der DKP hat es sich zum Ziel gesetzt, die historische Arbeit vor Ort zu fördern und deren Ergebnisse auch in der Form von Geschichtserzählungen aufarbeiten zu helfen.
1. Die Geschichtswerkstatt
Vor Jahren stand ich in einer kleinen Stadt des Westerwaldes vor einem Denkmal für die Opfer des 1. Weltkrieges. Ich las: „Den gefallenen Helden unserer Gemeinde.“ Hörte ich neben mir ein etwa 15-jähriges Mädchen sagen: „Da steht, dass sie gefallen sind. Das ist doch nicht schlimm, ich bin schon öfter gefallen.“Darauf die Frau neben ihr, ich nahm an, dass es seine Mutter war: „Das heißt, sie sind gestorben.“ – „Stimmt“, sagte das Mädchen, „in der Schule hat uns der Lehrer einen Film gezeigt, ‚Im Westen nichts Neues‘, da konnte man sehen, dass Soldaten von Granaten zerrissen wurden. Warum steht das hier nicht so?“ – „Ja, warum eigentlich nicht?“, fragte die Mutter.
Später dachte ich über das Gehörte nach. Mit der Sprache lässt sich einiges verschleiern wurde mir wieder einmal bewusst.
Eine Aussage Lenins fiel mir ein: „Die Menschen waren in der Politik stets die einfältigen Opfer von Betrug und Selbstbetrug, und sie werden es immer sein, solange sie nicht lernen, hinter allen möglichen moralischen, religiösen, politischen und sozialen Phrasen, Erklärungen und Versprechungen die Interessen dieser oder jener Klasse zu suchen.“
In der Volksrepublik China hat man vor vielen Jahren eine Methode entwickelt, Geschichte von „unten“ zu erforschen. „Grab die bittren Wurzeln aus“, nannte man es dort. In Schweden wurde daraus: „Grabe, wo du stehst.“
Diese Vorgehensweise ermöglicht es, dass Geschichtsabläufe im Großen vor Ort ein anderes Gesicht bekommen. Menschen, ihr Handeln und ihre Erfahrungen werden „sichtbar“. Erkennbar werden dabei auch Widersprüche wie Brüche; die TrägerInnen sozialer Lasten treten aus dem Schatten der vermeintlich „Großen“ und „Mächtigen“. Verwischte Spuren, Leer- und Blindstellen in der Geschichte der eigenen Familie, der Stadt und Region werden erkennbar. Der Widerstand einzelner und kleinerer Gruppen, aber auch das Hinnehmen und Mitmachen der Vielen werden offensichtlich.
Wir haben verwischte Spuren sichtbar gemacht: Der „Wetzlarer Anzeiger“ berichtete in seiner Ausgabe vom 3. März 1933, dass der damals 65-jährige Heinrich Mootz einen „Aufruf der Reichsregierung an das deutsche Volk vom 1. Februar durch Überpinseln unkenntlich machte“, wofür er eine Woche Gefängnis erhielt.
Später äußerte Heinrich Mootz Kollegen gegenüber: „In Deutschland sind die Nazis mit Lug und Trug an die Regierung gekommen …Der Kommunismus wird sich durchsetzen, weil er die Wahrheit ist, obschon er unterdrückt wird. Wenn sie alle so gekämpft hätten wie ich, wäre es in Deutschland heute anders.“ Die Kollegen denunzierten ihn daraufhin bei der Geheimen Staatspolizei. Heinrich Mootz wurde erneut festgenommen und starb, wie es hieß unter ungeklärten Umständen.
Der Widerstand des kommunistischen Malermeisters Heinrich Mootz erfuhr im Februar 2014 eine späte Würdigung, als die örtlichen Gruppen von DKP und Linkspartei eine Gedenktafel an dessen Wohnhaus in der Rosengasse 11 in der Wetzlarer Altstadt anbrachten. Ich kann sagen, dass es Spaß macht, selbst zu forschen, zu graben.
2. Die Schreibwerkstatt Geschichte
Ich beobachte auf dem Buchmarkt seit einigen Jahren einen Trend zu sogenannten historischen Romanen. Oft spannend erzählt vermitteln sie dem Leser lediglich partielles Wissen über die Vergangenheit. Meist sind es Fantasieprodukte ohne Bezug zu tatsächlichen historischen Auseinandersetzungen. Die dort handelnden Personen treten nicht als Vertreter sozialer Gruppen oder gar Klassen auf. Das Denken und Handeln dieser Protagonisten, ihre Schicksale und Konflikte sind nicht typisch für gesellschaftliche Konflikte.
Mit solchen Storys werden die Köpfe der Leserinnen und Leser eher vernebelt, als dass sie aufklärend wirken.
Meiner Ansicht nach besteht der Sinn der Vermittlung von Vergangenem in der Hoffnung, dass wir aus der Geschichte lernen, die Gegenwart verstehen, um die Zukunft gestalten zu können.Dazu sollen Vertreter sozialer Gruppen und Klassen, die auch erfunden werden können, in den Mittelpunkt der Erzählung gestellt werden. Das Denken und Handeln dieser Protagonisten, ihre Schicksale und Konflikte, müssen typisch für jene gesellschaftlichen Kräfte sein. Auch hier sind bei der Gestaltung der Story die Ergebnisse der eigenen Geschichtsforschung zu beachten. So wahrt man die Wissenschaftlichkeit der Geschichtserzählung.
Also Genossinnen und Genossen, greift zur Schaufel und „zur Feder“, und informiert die Geschichtskommission über die Ergebnisse eurer Arbeit oder fragt nach, wenn ihr mehr wissen wollt!