Zur Tarifrunde im Öffentlichen Dienst

Gradmesser

Nora Hachenburg

Anders als in den Tarifverhandlungen im Handel, wo die Arbeitgeberverbände ihre Macht komplett ausspielen und das Ziel haben, die Streiks der Beschäftigten über die Länge der Auseinandersetzung verpuffen zu lassen, wird die dritte Verhandlungsrunde für die Beschäftigten der Länder im Dezember aller Voraussicht nach zu einer Einigung führen.
Den Provokationen der Arbeitgeber in der zweiten Verhandlungsrunde folgen schon kurz danach Verlautbarungen zum erklärten Ziel: Andreas Dressel als Verhandlungsführer der Länder erklärt auf X/Twitter: „Wir haben gemeinsam mit den Tarifpartnern gut vorgearbeitet, um rechtzeitig vor Weihnachten zu einem für Beschäftigte UND Länderhaushalte machbaren Tarifabschluss zu kommen.“

Die angekündigte „massive Ausweitung der Streiks“ wird in einem gewerkschaftlich schlecht organisierten Bereich einkalkuliert sein. Im Dezember können Streiks und Verhandlungsführung dann die Basis gelegt haben, einen Tarifabschluss zu erreichen, der die Gewerkschaft nicht düpiert und die Landeskassen zwar belastet, aber nicht dazu führt, dass der Umverteilungspolitik von unten nach oben und der Aufrüstungspolitik der Herrschenden wirklich Spielraum entzogen wird.

Gradmesser dieser Tarifrunde wird aber nicht nur sein, ob die Beschäftigten eine Lohnerhöhung durchsetzen, die wieder etwas Luft zum Atmen lässt im monatlichen Kampf mit den gestiegenen Lebenshaltungskosten. Und ob es gelingt, zumindest die Tür aufzustoßen für eine Tarifierung von studentisch Beschäftigten, die dann zukünftig nicht mehr unterhalb des Mindestlohns den Wissenschaftsbetrieb aufrechterhalten. Sondern vor allem, wie viele Kolleginnen und Kollegen in dieser Tarifrunde die Erfahrung mitnehmen, dass der Kampf um mehr Lohn und das Kampfmittel des Streiks den Beschäftigten die Möglichkeit gibt, ihre Forderungen durchzusetzen und daraus gestärkt herauszugehen für die kommenden Auseinandersetzungen.

Denn diese werden nicht nur in Lohnfragen notwendig sein, sondern die Frage beantworten, welche Welt und welches Leben wir erkämpfen können. Für diese Erfahrung taugt jeder Streiktag, der von den Beschäftigten organisiert wird. Und jede Provokation der Arbeitgeber, denn auch die aktuelle Art von taktischen Provokationen entlarvt sie und macht einen Weg auf zum wirklichen Ende der Sozialpartnerschaft.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Gradmesser", UZ vom 10. November 2023



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Stern.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit