Militärpakt will sich beim Gipfel in Madrid auf ein neues strategisches Konzept mit klarer Frontstellung gegen Russland und China verständigen. Absage an Frieden in der Ukraine

Globale NATO

Die spanische Hauptstadt Madrid wird dieser Tage zu einer Festung ausgebaut, um den NATO-Gipfel Ende des Monats abzusichern. Mehr als 10.000 Polizisten und eine ungenannte Zahl an Militärs sind für die beiden Konferenztage am 29. und 30. Juni abkommandiert, um für „Ruhe und Ordnung“ zu sorgen, heißt, Proteste klein und auf Abstand zu halten.
Ausweiten, aufrüsten, abschrecken – das sind die Kernpunkte für den NATO-Gipfel. Der Militärpakt will auch noch ein neues strategisches Konzept beschließen. Es wird nicht nur eine klare Konfrontation gegenüber Russland festschreiben, es wird sich zudem – „zum ersten Mal“, wie NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagt – ausdrücklich mit einem gemeinsamen Vorgehen gegen China befassen. Details sind noch nicht bekannt. Klar ist aber, dass neben den 30 Staats- und Regierungschefs der NATO-Mitglieder auch Japans Ministerpräsident Fumio Kishida, Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol, Australiens Premierminister Anthony Albanese und Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern an dem Kriegsrat in der spanischen Metropole teilnehmen werden. Für die Frontstellung gegen die Volksrepublik wird die nordatlantische Vertragsorganisation zur globalen NATO.

Geplant ist die Ausweitung der NATO um Schweden und Finnland, die Ukraine soll massiv aufgerüstet und systematisch auf NATO-Militärstandard umorientiert werden. „In Reaktion“ auf Russlands Angriff auf die Ukraine sollen in das östliche Bündnisgebiet mehr gefechtsbereite Truppen und Waffenarsenale verlegt werden. Kampfbataillone statt Battlegroups, lautet die Maxime. Bundeskanzler Olaf Scholz hat bereits angekündigt, dass die Ampelregierung die Planungen unterstützt und die Truppenpräsenz der Bundeswehr in Litauen ausgebaut wird.

Unhinterfragt ist, dass die Ukraine weitere Lieferungen schwerer Waffen erhalten soll. Die NATO setzt auf einen langen Krieg statt auf einen möglichen Verhandlungsfrieden. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schwärmte gerade erst nach der Empfehlung der Kommission, der Ukraine den Status eines EU-Beitrittskandidaten zuzuerkennen: „Die Ukrainer sind bereit, für die europäische Perspektive zu sterben.“ Weniger pathetisch führen in einem Gastbeitrag für das ZDF Christian Mölling und András Rácz vom Berliner Thinktank Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) aus, warum man im Westen auf immer weitere Waffenlieferungen und eine Verlängerung des Krieges setzt: „Der Ukraine-Krieg dezimiert zum Teil die russische Kampfkraft und damit die Bedrohung, der die NATO gegenübersteht.“ Ob formales Mitglied oder nicht, die Ukraine soll an die NATO angebunden werden: „Sie wird, auf lange Sicht, wenn der Krieg zu Ende geht, ein schwer bewaffnetes Land bleiben, das über eine einzigartige Erfahrung (!) im Kampf gegen Russland verfügt“, so das DGAP-Autorenduo. Mit der fortgesetzten Bewaffnung der Ukraine könne das „dauerhafte Abschreckungspotenzial gegenüber Russland verstärkt werden“. Indem die Ukraine in die Lage versetzt werde, „die russische Armee noch wirksamer zu bekämpfen, die russischen Streitkräfte zu schwächen und deren militärische Einrichtungen sowie kritische Infrastrukturen anzugreifen, kann die Ukraine selbst allmählich zu einem Abschreckungsfaktor werden“.

In der vergangenen Woche wurden beim Treffen der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe, in der auf Initiative der USA NATO-Staaten und enge Verbündete zusammengeschlossen sind, weitere Waffenlieferungen für Kiew verabredet. Die ukrainische Regierung hat mittlerweile genug Militärgerät für zwölf Artilleriebataillone erhalten, darunter etwa 237 Kampfpanzer, 300 Schützenpanzer und 1.600 Luftabwehrsysteme. Mit 97.000 Panzerabwehrwaffen hat die ukrainische Armee mehr Abwehrwaffen erhalten als es weltweit überhaupt Panzer gibt. Die Aufrüstung der Ukraine zur Abrüstung Russlands wird über eine Kommandostelle in den Patch Barracks in Stuttgart-Vaihingen, dem Sitz des Europa-Hauptquartiers der US-Streitkräfte, organisiert. Die militärische Unterstützung ist ausdrücklich längerfristig angelegt. Ziel ist laut Stoltenberg, das ukrainische Militär beim „Übergang von Ausrüstung aus der Sowjetära zu moderner NATO-Ausrüstung“ zu fördern und die „Interoperabilität mit der NATO“ zu verbessern, sprich: die Ukraine zu befähigen, gemeinsam mit der NATO Krieg zu führen. Es ist die erklärte Absage an eine mögliche Neutralität der Ukraine im Zuge von Friedensverhandlungen mit Russland. Und so wird beim NATO-Gipfel in Madrid der ukrainische Präsident Wladimir Selenski für die Rolle des Stargasts besetzt – nicht ausgeschlossen, dass er dafür das erste Mal seit dem 24. Februar die Ukraine verlässt und mit aufs NATO-Gruppenbild in Madrid kommt. 2.000 Journalisten stehen Gewehr bei Fuß.

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"Globale NATO", UZ vom 24. Juni 2022



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