Sächsischer „Verfassungsschutz“ gegen Nazigegner

Gleich und gleich …

Von Markus Bernhardt

Der sächsische Innenstaatssekretär Günther Schneider und der Chef des Landesamtes für Verfassungsschutz, Gordian Meyer-Plath, haben den „Verfassungsschutzbericht“ für 2018 vorgestellt. Neue Erkenntnisse, die nicht über öffentliche Quellen zugänglich wären, sucht man darin wie üblich vergebens. Gleicht man darin Veröffentlichtes mit den realen Gegebenheiten und Zuständen im Freistaat ab, wird schnell klar, dass die extremen Rechten nur aufgrund des Verharmlosens und Bagatellisierens durch die zuständigen Behörden regelmäßig Erfolge erzielen können.

Dem Inlandsgeheimdienst zufolge schlossen sich im Vergleich zu 2017 weitere 200 Personen der Neonaziszene an, deren Stärke nunmehr auf insgesamt 2 800 Personen geschätzt wird. Auch die von Rechten begangenen Straftaten stiegen im Berichtszeitraum von 1 959 im Jahr 2017 auf 2 199 im vergangenen Jahr an. Ein eigenes Kapitel haben die sogenannten Reichsbürger bekommen, deren Anzahl in Sachsen auf rund 1 400 Personen angestiegen ist.

All das scheint jedoch weder für den sächsischen Geheimdienst, die etablierte Politik, noch die Polizeiführung ein größeres Problem darstellen. Sie nutzen ihren Bericht, um gegen vermeintlich „extremistische“ Linke mobil zu machen. So finden – wie bereits in der Vergangenheit – autonome Zusammenschlüsse, die Antirepressionsorganisation Rote Hilfe e. V. und Parteien wie die DKP Erwähnung in dem Bericht. Gleiches gilt für angeblich „linksextreme“ Künstlergruppen. Die Band „Feine Sahne Fischfilet“ war dem aktuellen Bericht zufolge mit neun Auftritten die „aktivste nichtsächsische linksextremistische Band, die in Sachsen agierte“. Vor allem das Konzert, das im Nachgang des Todes des Deutsch-Kubaners Daniel H. und der Hetzjagden und Ausschreitungen von Neonazis und AfD-Anhängern in Chemnitz stattfand, war im Visier des Geheimdiensts. Über 65 000 Menschen hatten die Protestkundgebung verschiedener Künstler und Musiker besucht, die am 3. September in Chemnitz stattfand. Neben den „Toten Hosen“ und „K. I.Z“ traten auch „Feine Sahne Fischfilet“ auf. Zwar erklärt der „Verfassungsschutz“, dass das „Wir sind mehr“-Konzert „ganz überwiegend“ von „nichtextremistischen Zuschauern“ besucht worden sei, schwadroniert dann jedoch darüber, dass „Feine Sahne Fischfilet“ die Konzertbesucher zu „Alerta, alerta antifascista“-Sprechchören und „ähnlichen Rufen animiert“ habe. Dies belege, dass „linksextremistische Interpreten bei solchen Veranstaltungen eine immense Breitenwirkung erzielen können“, behaupteten die Schlapphüte.

Einmal mehr wird deutlich: Der entschiedenste und wirkungsmächtigste Schlag gegen die extrem rechte Szene wäre die Zerschlagung der Verfassungsschutzämter.

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"Gleich und gleich …", UZ vom 24. Mai 2019



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