Von Avocados und Kriegsdienst

Glaubt einem keiner

Kolumne oder so

Zähne I. Überall Blut, sogar an der Wand. Erstaunlich, was man nach so einer Zahn-OP alles spucken kann. Der Gartenbro steht blass im OP-Zimmer, keine Ahnung, wer den da hingestellt hat. Ach ja, der soll mich ja abholen. Ich schicke ihn an die Luft, spucke Blut, schüttele die Vollnarkose ab, spucke Blut und gehe. OP hinter mir. Glaubt einem keiner.

Übel I. Campino von den „Toten Hosen“ und Franziska Giffey (SPD) posieren beim Empfang des englischen Königs (!) in Abendgarderobe. Der eine Ex-Punk, die andere ex-sozialdemokratisch. Huldigen einem widerlich konservativen und ewig-gestrigen Königshaus im Jahre 2023. Punk is dead. Die SPD eh. Da kommt doch zusammen, was zusammengehört.

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Wohnen. Ein Loch habe ich mir angeschaut, mitten in Dortmund. Haus: Kaputt. Treppenhaus: Kaputt. Wohnung: Braun. Heizkörper: Nachtspeicher aus den 50ern. Immerhin: Asbest höchstwahrscheinlich gratis. Dass man so etwas auf dem Markt überhaupt anbieten darf, ist schon krass. Aber der Kapitalismus macht es möglich: Einen Tag später ist die Wohnung vergeben. Die Ärmsten von uns nehmen alles. Weil sie müssen.

Zähne II. Zwei Tage vor der OP: „Kommen Sie bitte um 9.45 Uhr.“ Einen Tag vor der OP: „Rufen Sie bitte um 10.00 Uhr an, wir wissen noch nicht genau.“ Tag der OP. Ich darf noch nicht einmal Wasser trinken, beschließe möglichst lange im Bett liegenzubleiben. Anruf 7.30 Uhr: „Können Sie jetzt kommen, ein Patient ist nicht erschienen?“ Ich: „Nein.“ Die spinnen doch.

Übel II. Die Avocado – das Nutella der Hipster-Szene – geht vor die Hunde. Die Avocado-Plantagen in Spanien stehen vor dem Kollaps, Klimawandel und so. Aber eine Frucht anzubauen, die pro Kilogramm 1.000 Liter Wasser braucht, ist vielleicht auch nicht mehr gänzlich zeitgemäß. Na ja, von mir aus können die Dinger 97 Euro pro Kilo kosten, juckt mich nicht. Schlimmer: „Die Trockenheit in Südfrankreich bedroht kommende Weinernten“ („FAZ“). Mist.

Demo. Es regnet, nein, es schüttet aus Eimern. Trotzdem sind 100 Menschen auf der Kundgebung gegen den Naziterror im Viertel. Von meinen Freunden und Bekannten, von denen viele hier wohnen: ganze zwei anwesend. Glaubt einem keiner.
Zähne III. PZR, 4 alte Zähne gezogen, 2 Implantate gesetzt, alles wieder zugenäht. Ich habe keinerlei Schmerzen. Vielleicht doch gestorben?

Fußball. Der BVB geht komplett chancenlos in München unter, als würde ein Erstklässler ohne Frühstück mit den Hosen auf den Knien gegen einen gestandenen Bergmann im Fingerhakeln antreten. Man versteht es nicht. Der Gartenbro und ich zeigen nach dem Spiel, wie es gehen sollte: Treffen beim Billard auf zwei Bekannte, die nicht nur seit zwei Stunden eingespielt sind, sondern sowieso schon besser spielen als wir. Wir liegen jedes Spiel mit 4 bis 5 Kugeln quasi chancenlos zurück – und gewinnen die Serie mit 5:1. Die konsternierten Gegner schütteln die Köpfe und verlassen die Kneipe mit einem: Glaubt einem …

Pace.

PS: Übel III. „Ich persönlich habe den Kriegsdienst 1983 verweigert. Das würde ich heute … wahrscheinlich nicht mehr tun“ (Campino). Ginge einziehen und direkt an die Front? Danke.

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"Glaubt einem keiner", UZ vom 7. April 2023



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