Als der Chef von Tesla, Elon Musk, im November 2019 die Ansiedlung seiner „Gigafactory“ in Grünheide im Landkreis Oder-Spree in Brandenburg ankündigte, war die ganze Region im Tesla-Rausch. Von der SPD-geführten Brandenburger Landesregierung und der Berliner Wirtschaftssenatorin Ramona Pop von den Grünen bis zu CDU-Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier: Alle jubelten über den ganz großen Wurf durch die Ansiedlung des US-Elektroautoherstellers.
Bei der Tesla-Ansiedlung geht es nicht nur um etwas äußerst Rares auf dem Gebiet der DDR – nämlich um neue Industriearbeitsplätze. Es geht laut Brandenburgs Ministerpräsident Dieter Woidke (SPD) um den Beweis, „dass Klimaschutz und Schaffung von Wohlstand und Arbeitslätzen Hand in Hand gehen können“. Doch selbst das verkrampft poserhafte Auftreten Elon Musks und seine jüngste Showeinlage durch Veröffentlichung des Genehmigungsantrags ändern nichts daran: Die Tesla-Ansiedlung ist eine ökologische Zumutung für die Region und das „Jobwunder Tesla“ könnte sich als großer Zirkus erweisen, um Millionen Euro Subventionen aus Steuergeldern zu generieren– also aus den Taschen der Lohnabhängigen.
Umweltsau Tesla
Gleichwohl das gesamte Tesla-Projekt in Grünheide noch nicht genehmigt ist, schafft Tesla seit Anfang des Jahres mit Bauarbeiten Fakten. Die erste Maßnahme – die Rodung von mehreren hundert Hektar Kiefernwald – sorgte bereits für große öffentliche Empörung. Dabei ist die Selbstverpflichtung des Autobauers, sehr viel mehr Wald an anderer Stelle aufzuforsten, Augenwischerei. Für die Menschen in der Region ist dieses Areal, das als „Erholungswald“ ausgezeichnet ist, wichtig. Ein Wald an anderer Stelle hilft ihnen nicht weiter.
Doch die ökologischen Folgen für die Region gehen noch weiter. So sah der Wasserverband Strausberg-Erkner in seinen ersten Einschätzungen „umfangreiche und schwerwiegende Probleme mit der Trinkwasserversorgung und Schmutzwasserentsorgung“ durch die Ansiedlung von Tesla. Die Hälfte des 300 Hektar großen Tesla-Areals liegt in einer Trinkwasserschutzzone. Die Gefahr der Trinkwasserkontaminationen könnte die gesamte Müggelsee-Region betreffen.
Hinzu kommt der enorme Wasserverbrauch der Fabrik, der nach eigenen ersten Angaben bei 372 Kubikmeter pro Stunde liegen sollte. Das entspricht dem Wasserverbrauch einer 60.000-Einwohner-Stadt. Dieser „Giga“-Wasserverbrauch kann nicht nur zu einer empfindlichen Wasserverknappung in der Region führen, sondern auch die Wasserpreise in die Höhe treiben: Das hätte die Bevölkerung in der Gemeinde Oder-Spree zu zahlen.
Mittlerweile hat Tesla seine Bauvorhaben geändert und plant dadurch eine Verringerung des Wasserverbrauchs um bis zu 30 Prozent. Möglich ist das nach Angaben Teslas unter anderem durch den Verzicht auf eine Batterieherstellung in Grünheide, die allerdings von Beginn an unter Vorbehalt stand. Damit bleibt der Wasserverbrauch erstens immer noch enorm und zweitens ist es ein Taschenspielertrick: Anstatt gewisse Fertigungsschritte selbst durchzuführen, will Tesla Batterien vom US-Hersteller Microvast beziehungsweise von BASF beziehen, die bereits eine Ansiedlung in der Region angekündigt haben. Unter dem Strich wird sich also am Wasserbrauch nichts ändern. Er wird sich allenfalls anders verteilen. Ebenso bleibt die Verwendung von Batterien in Autos eine schwere ökologische Last durch das Freiwerden von Natriumhydroxid bei der Gewinnung von Lithium.
Insgesamt erweist sich das Setzen auf E-Mobilität als technologische und ökologische Sackgasse. Das hält aber Stichwortgeber der Bewegung „Fridays for Future“ wie den Chefökonomen Ottmar Edenhofer und sein „Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung“ nicht davon ab, weiter die Werbetrommel für die E-Mobilität zu rühren.
Musks Jobwunder
Laut Elon Musk sollen bis zu 10.000 Arbeitsplätze mit der Tesla-Ansiedlung geschaffen werden. Ein solcher Arbeitsplatzzuwachs ist ohne Zweifel von Bedeutung für Brandenburg und die Region. Doch die Jobwunder-Ankündigung hat einige Pferdefüße. Abgesehen davon, dass Tesla weder in den USA noch in China seine Zusagen in Bezug auf die Anzahl neuer Arbeitsplätze eingehalten hat, ist es wichtig, sich die Ausbeutungsbedingungen bei Tesla vor Augen zu führen. Ein Blick in die USA ist hier durchaus ernüchternd. So haben Tesla-Beschäftige in den USA einen Bruttostundenlohn von 18 bis 25 Dollar. Das liegt ungefähr ein Drittel unter dem Bruttolohn von General Motors, Ford oder Chrysler. Es dürfte also kein Zufall sein, dass Tesla sich im Landkreis Oder-Spree ansiedeln möchte. Brandenburg ist eine Niedriglohnzone, in der Vollbeschäftigte ein durchschnittliches Jahreseinkommen von 29.605 Euro haben. Zum Vergleich: In Baden Württemberg sind es 9.000 Euro mehr. Die Nähe zur polnischen Grenze ermöglicht Tesla zudem durch die in der EU garantierte Arbeitnehmerfreizügigkeit, polnische Pendler als Lohndrücker zu missbrauchen.
Um die Konzernleitung bei einem solchen Lohndumping nicht durch Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat zu stören, hat Tesla die Gigafactory als „Europäische Aktiengesellschaft“ gegründet. Diese Unternehmensform ermöglicht einen Aufsichtsrat ohne Formen der Mitbestimmung durch Beschäftigte beziehungsweise ihre Gewerkschaften.
Bei alledem wäre nun einzuwenden: Auch wenn es schlechter bezahlte Jobs sind – es sind neue Jobs, die Brandenburg braucht. Doch das ist eine Milchmädchenrechnung, die die makroökonomischen Entwicklungen ignoriert. So ist die Automobilindustrie in Deutschland und weltweit durch eine chronische Überproduktionskrise erfasst, wie der massive Einsatz von Kurzarbeit im Deckmantel der Pandemiebekämpfung derzeit zeigt. Dabei ist es nicht so, dass der Absatz von E-Autos steil in die Höhe geht, während nur der Verkauf von Benzinern und Dieselfahrzeugen einbricht. Die Überkapazitäten betreffen die gesamte Automobilbranche. Das heißt, jede Ausweitung der Produktion bei Tesla geht auf Kosten konkurrierender Automobilanbieter. Die Arbeitsplätze, die Tesla schafft, werden an anderer Stelle in deutschen Automobilwerken vernichtet. Mit einem Unterschied: Die wegfallenden Arbeitsplätze bei BMW oder VW sind wesentlich höher vergütet.
„Giga“-Transparenz
Insbesondere nach den ersten Waldrodungen von Tesla und aufkommendem Widerstand in der Bevölkerung setzte der E-Auto-Bauer auf eine Kommunikationsstrategie der zur Schau gestellten Transparenz. Doch alle PR-Shows können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Tesla im Schulterschluss mit der brandenburgischen Landesregierung versucht, die Brandenburger Bevölkerung über den Tisch zu ziehen.
Von Beginn an drückten Tesla und die Landesregierung auf die Tube: Bis Juli 2021 müsse das erste Auto vom Band rollen. Warum? Weil Tesla es so will. Warum will es Tesla so? Um der Brandenburger Bevölkerung keine Möglichkeit zu geben, Verträge und Bauvorhaben zu überprüfen und einen wirklichen demokratischen Dialog zu führen. Dabei wäre andersherum zu fragen: Warum haben Tesla und vor allem die Landesregierung nicht frühzeitig mit offenen Karten gespielt? Und warum hat der brandenburgische Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) sich sogar noch im November 2019 damit gerühmt, Geheimverhandlungen mit Tesla geführt zu haben? Hier fing die Aushebelung demokratischer Mitbestimmung schon an.
Doch durch den Verkauf der Industriefläche an Tesla hat die Einschränkung demokratischer Mitbestimmung noch eine ganz andere Dimension. Durch diese Privatisierung von Grund und Boden nimmt sich das Land Brandenburg einmal mehr die demokratische Handlungsfähigkeit, durch Besitz an Boden Einfluss auf die Entwicklung einer wachsenden Metropolenregion zu nehmen. Dabei verschleudert das Land den Boden zum Spottpreis von 13,50 Euro pro Quadratmeter, während im Gewerbegebiet „Europarc Dreilinden“ die Quadratmeterpreise bei 310 Euro liegen. Hierbei handelt es sich zwar um ein erschlossenes Gelände. Die große Differenz lässt sich dadurch aber nicht erklären.
Warum es die Landesregierung so eilig hat, das Gelände weit unter Marktwert zu verkaufen, ist eventuell damit zu erklären, dass ihr im Vertrag zugesichert wird, an einem späteren Weiterverkauf nach frühestens zehn Jahren beteiligt zu werden. Hier werden also schon die Weichen gestellt, dass Tesla auch wieder die Koffer packen kann und eine zukünftige Landesregierung zum Komplizen einer Werksschließung werden könnte, weil sie am Weiterverkauf des Bodens selbst verdienen würde. Die Rechnung bezahlen die Kolleginnen und Kollegen, die auf der Straße landen, wenn die Tesla-Jobwunderblase platzt.
Finanzoligarchie reitet auf grüner Welle
Was derzeit mit der Tesla-Ansiedlung in Brandenburg geschieht, ist kein Regionalthema. Hier wird ein US-Autokonzern hofiert, der eine Besonderheit aufweist: Tesla ist ein Autokonzern, dessen Aktienwert innerhalb eines Jahres von 216 Euro auf über 1.300 Euro pro Aktie stieg. Tesla hat einen Kapitalwert von 100 Milliarden US-Dollar – mehr als General Motors und Ford zusammen. Gleichzeitig lag der Jahresumsatz des Autobauers 2019 nur bei 6,3 Milliarden US-Dollar, während allein Ford im gleichen Zeitraum einen Jahresumsatz von 158 Milliarden US-Dollar aufzuweisen hatte. Wie erklärt sich diese Höherbewertung bar jedes Umsatzes? Die These lautet: Hier kommt der konzentrierte Wille der Finanzoligarchie zum Ausdruck, die grüne Welle reiten zu wollen bzw. zu müssen auf der Suche nach neuen Anlagensphären zur Steigerung der Profitraten. Dafür stehen der Finanzoligarchie weltweit Billionen Dollar zur Verfügung. Aber dazu bedarf es auch massiver staatsmonopolistischer Eingriffe zur Schaffung einer Nachfrage für E-Autos, um zum Beispiel BlackRock und seinen Anlegern entsprechende Renditen zu zahlen. Dazu zählen neben Steuersubventionen wie bei Tesla durch Strukturentwicklungsprogramme in Höhe von derzeit 280 Millionen Euro vor allem Subventionen im Rahmen des Klimapaktes bzw. des „Green Deal“ auf EU-Ebene oder die staatliche Förderung zum Aufbau einer Ladestruktur für E-Autos im Rahmen des jetzigen Konjunkturprogramms der Bundesregierung.
All diese Maßnahmen sichern der Finanzoligarchie nicht nur ihre Extraprofite, sondern ziehen einen Rationalisierungsschub und damit Arbeitsplatzvernichtung nach sich, die die Arbeiterklasse voll trifft. Dabei zeigt die Volksrepublik China, dass E-Mobilität keineswegs in jeder Hinsicht abzulehnen und die Umstrukturierg der Industrie auch keineswegs Katalysator sein muss für die Verarmung der arbeitenden Bevölkerung. Aber das setzt eben ein planwirtschaftliches Handeln voraus, dem sich auf Grundlage der Machtverhältnisse im Klassenkampf in China auch private Unternehmen unterzuordnen haben, anstatt wie in Merkel-Deutschland in ihrem Interesse die Volkswirtschaft an die Wand zu fahren.
Unser Autor ist Landesvorsitzender der DKP Brandenburg und kandidiert zur Bundestagswahl 2021 für die DKP in Brandenburg.