In den letzten Tagen und Wochen beklagen sich Bundesregierung, EU, NATO und USA über eine russische Truppenpräsenz an der Grenze zur Ukraine. Diese ist allerdings wenig erstaunlich, da das US-Manöver „Defender 2021“ sich auf die Region um das Schwarze Meer konzentriert. Unerwähnt bleibt von westlicher Seite auch, dass die Ukraine – mit Unterstützung des Westens, vor allem der USA – entgegen allen in den Minsker Vereinbarungen getroffenen Waffenstillstandsregelungen die Lage an der Grenze zum Donbass massiv verschärft.
Seit dem Abschluss von Minsk-2 im Jahr 2015 waren die ukrainischen Angriffe auf die Volksrepubliken des Donbass mal mehr, mal weniger stark. Regelmäßig gibt es Tote und Verletzte, auch unter der Zivilbevölkerung, Wohnraum und Infrastruktur werden durch Artilleriebeschuss zerstört. Seit einigen Wochen werden diese Angriffe nicht nur wieder zahlreicher, sondern auch gezielter. Erinnert sei an den Rentner, den kürzlich ein ukrainischer Scharfschütze tötete, und den fünfjährigen Jungen, der Opfer eines Drohnenangriffs wurde. Nicht nur Wohngebiete werden wieder häufig gezielt beschossen, sondern auch die Infrastruktur der Wasser- und Stromversorgung. In vielen Fällen sind die Reparaturen schwierig durchzuführen, da Sicherheitsgarantien von Seiten der Ukraine auf sich warten lassen und häufig selbst dann, wenn diese vorliegen, die Reparaturbrigaden beschossen werden. Auch Drohnenangriffe haben deutlich zugenommen. In den letzten Wochen wurde verstärkt schwere ukrainische Artillerie an der Frontlinie zwischen der Ukraine und dem Donbass zusammengezogen, die nach den Regelungen der Minsker Vereinbarungen unter Kontrolle der OSZE abgezogen sein müssten.
Inwieweit sich die ukrainische Führung sogar auf einen groß angelegten Angriff auf den Donbass vorbereitet, ist schwer zu sagen – gerechnet werden muss allerdings damit. Bereits im Dezember des letzten Jahres haben die Türkei und die Ukraine ein Abkommen über die Lieferung von Kampfdrohnen vom Typ „Bayraktar“ abgeschlossen, die schon beim Angriff Aserbaidschans gegen Bergkarabach eingesetzt worden sind.
Am 8. April hat der ukrainische Präsident Wladimir Selenski die Front besucht, unter anderem das von der Ukraine besetzte Marjinka, von wo aus ein Scharfschütze den Rentner erschossen hatte. Zu seiner Begrüßung wurde eine Reichskriegsflagge aufgezogen, was Selenski nicht daran hinderte, die Soldaten zu belobigen und Auszeichnungen zu verleihen. Gleichzeitig kann von Pressefreiheit in der Ukraine nicht mehr die Rede sein: Noch vor wenigen Wochen wurden drei Fernsehsender geschlossen, da sie angeblich „prorussisch“ seien.
Es ist also nicht verwunderlich, wenn die Russische Föderation Anlass zur Besorgnis sieht. Dmitri Kosak, in der russischen Präsidialverwaltung zuständig für die Ukraine, warnte Kiew vor größeren militärischen Operationen – dies wäre der Anfang vom Ende der Ukraine. Russland sei dann gezwungen, seine Bürger im Donbass zu verteidigen. Mehr als 420.000 Einwohner des Donbass haben inzwischen die russische Staatsbürgerschaft erhalten. Er forderte, dass die Ukraine endlich die Minsker Vereinbarungen umsetzen müsse.
Die angebliche Nicht-Umsetzung dieser Vereinbarungen wird von Seiten der EU und der USA immer wieder als Anlass für weitere Sanktionen gegen Russland genutzt. Zuletzt forderte Manfred Weber, CSU-Politiker und Vorsitzender der EVP-Fraktion im EU-Parlament, einen Ausschluss der Russischen Föderation vom internationalen Swift-Zahlungsverkehr und stellte fest, dass bei einer Eskalation Nord Stream 2 nicht mehr haltbar sei. Letzteres ist möglicherweise auch einer der Gründe für das Befeuern des Konflikts durch die USA, welche die Ukraine nicht allein politisch unterstützen, sondern auch verstärkt militärische Ausbilder und Spezialisten dorthin entsenden.
Russland ist jedoch keine der Konfliktparteien in den Minsker Vereinbarungen – das sind der Donbass und die Ukraine –, sondern einer der Garantiestaaten dieses vom UN-Sicherheitsrat durch eine Resolution bekräftigten Abkommens, genauso wie Deutschland und Frankreich. Die Ukraine hingegen sabotiert durchgängig seit 2015 die Verhandlungen, ohne aber ganz aus ihnen auszusteigen. Ein Kernpunkt der Vereinbarungen sind bilaterale Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien, die Kiew immer wieder offen verweigert und dabei erklärt, dass die Vereinbarungen nicht umsetzbar seien. Aus Sicht der nationalistischen ukrainischen Führung ist dies nachvollziehbar, denn die Vereinbarungen sehen zwar als letzten Schritt die Übergabe der Grenzen des Donbass zur Russischen Föderation an die Ukraine vor, jedoch erst nach der verfassungsrechtlichen Fixierung eines Sonderstatus des Donbass, der eine eigene Außen-, Innen- und Wirtschaftspolitik, ein eigenes Justizsystem und eigene militärische Formationen vorsieht. Auch dies ist natürlich für die Bürger der Volksrepubliken, die mit überwältigender Mehrheit für die Unabhängigkeit und eine Annäherung an Russland gestimmt haben, im Grunde nicht akzeptabel, zumal es zu einem seit sieben Jahren nicht endenden Krieg geführt hat. Nicht umsonst fordert die Kommunistische Partei der Russischen Föderation seit dem Referendum im Jahre 2014 dessen Anerkennung und damit eine Anerkennung der Volksrepubliken des Donbass durch Russland.
Zur Propaganda der „Tagesschau“ in Sachen Ukraine siehe den Beitrag von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam auf blog.unsere-zeit.de