Finanzminister Lindner will die Rekordergebnisse der großen DAX-Konzerne niedriger besteuern

Gewinne, Gewinne, Gewinne

Das Tempo der seit Jahren praktizierten Umverteilung von unten nach oben soll weiter forciert werden. „Ich werde im Frühjahr ein ambitioniertes Steuerprogramm vorstellen“, kündigte Finanzminister Christian Lindner in der vergangenen Woche gegenüber der zum Axel-Springer-Konzern gehörenden Wochenzeitung „Die Welt“ an. Das Steuerprogramm werde „aus allem bestehen, was ökonomisch und politisch realistisch“ sei. „Dazu gehören neue Abschreibungsmöglichkeiten und Investitionsprämien für Unternehmen“, so der Minister. Lindner hatte bereits im November angekündigt, dass zum richtigen Zeitpunkt ein „Wachstumspaket 2023/2024“ zur Stärkung der wirtschaftlichen Erholung notwendig sei. Neben dem Steuerprogramm sind dort auch Maßnahmen zur „Gewinnung von Fachkräften und dem Abbau von Bürokratielasten“ vorgesehen. „Wir brauchen eine zweite Zeitenwende, eine wirtschaftliche und finanzpolitische“, betonte Lindner gegenüber der „Welt“. Es sei eine Illusion zu glauben, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft von allein wieder einstelle. Diese Ausführungen Lindners erinnern fatal an die neoliberalen Argumentationsstränge im Vorfeld der Agenda-Politik. Damals wurde nicht nur der größte Niedriglohnsektor in Europa geschaffen, sondern auch Konzerne und große Vermögen dauerhaft finanziell massiv entlastet. Die Folgen wirken bis heute nach. Der DGB bezifferte jüngst die Steuergeschenke für sogenannte „Leistungsträger“ in den vergangenen zehn Jahren auf rund 335 Milliarden Euro.

Steuerliche „Anreize“ für Daimler, Allianz, BMW und Co. sind auch heute aus Sicht des Finanzministers zentrale Instrumente. „Die Steuerpolitik wird zu einem zunehmend wichtigen Wettbewerbsfaktor – auch, weil günstige Energiepreise es nicht mehr sind“, behauptet Lindner. So müssen der Wirtschaftskrieg und die damit verbundenen Sanktionen gegen die Russische Föderation als Argumente für die Pläne der neoliberalen Umverteilungspolitik aus dem Finanzministerium herhalten. Während die breite Masse in Folge des Wirtschaftskrieges nicht weiß, ob sie beim Heizen oder Essen oder schlimmstenfalls bei beidem sparen soll, sind die großen Vermögen schon vor der Umsetzung der Steuerpläne aus dem Finanzministerium massiv gewachsen. Dies belegt der aktuelle Bericht der Entwicklungsorganisation Oxfam. Während sich weltweit das reichste eine Prozent 63 Prozent der Vermögenszuwächse des vergangenen Jahres aneignete, wurde dies in Deutschland mit 81 Prozent im gleichen Zeitraum noch getoppt. Die „FAZ“ berichtete zu Jahresbeginn, dass die 100 umsatzstärksten Unternehmen im Land ihre Umsätze gegenüber dem Vorjahr um 30 Prozent steigern konnten. Die daraus resultierenden Gewinne erhöhten sich im selben Zeitraum um 23 Prozent und haben mit 145 Milliarden Euro ein Rekordniveau erreicht. In Folge dessen werden die im DAX verzeichneten großen Unternehmen – sehr zur Freude der Aktionäre – rund 55 Milliarden Euro an Dividenden ausschütten.

Nennenswerter Widerspruch gegen diese Umverteilungspolitik von Seiten des sozialdemokratischen Koalitionspartners ist nicht zu erwarten. Dabei liegen alternative Konzepte für eine gerechtere Steuerpolitik seit Jahren vor. Nach den finanzpolitischen Vorstellungen des DGB könnten 95 Prozent der Haushalte entlastet werden. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass Spitzenverdiener und große Vermögen mehr zum Steueraufkommen beitragen. Die Vermögensteuer, die seit 25 Jahren ausgesetzt ist, müsste auf Netto-Vermögen ab einer Million Euro wieder erhoben werden. So könnten nach Berechnungen der Gewerkschaften 28 Milliarden Euro im Jahr mobilisiert werden. Weitere sieben Milliarden würde eine Erbschafts- und Schenkungssteuer auf Betriebsvermögen einbringen. Außerdem fordert der DGB, dass die Körperschaftsteuer auf Unternehmensgewinne mittelfristig auf 25 Prozent angehoben werden soll. Dies hätte acht Milliarden mehr Steuermehreinnahmen zur Folge. Auch eine Finanztransaktionssteuer ist aus gewerkschaftlicher Sicht überfällig. Diese würde, wenn sie – wie der DGB vorschlägt – alle Finanzmärkte, -produkte und -akteure umfasst, weitere 17 Milliarden Mehreinnahmen erzielen. Um dies umzusetzen, braucht es jedoch neben guten Argumenten vor allem politischen Druck. Wie dieser wirkungsvoll aufgebaut wird, kann in diesen Tagen bei unseren Nachbarn in Britannien und Frankreich beobachtet werden.

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"Gewinne, Gewinne, Gewinne", UZ vom 3. Februar 2023



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