Aus den Arbeitsgruppen der Rosa-Luxemburg-Konferenz in Braunschweig

Gewerkschaftliche Erneuerung

Von Ulli Schmitz/Alfred Hartung

Auf der Konferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung unter dem Titel „Aus unseren Kämpfen lernen“ am vergangen Wochenende wurde eine schier unglaubliche Zahl von AGs und Themenseminaren angeboten, die sich um die Auswertung gewerkschaftlicher Kämpfe und mögliche Antworten der Arbeiterbewegung auf neue Entwicklungen drehten. Nur drei Beispiele:

Automobilindustrie

In der AG „Gewerkschaftliche Antworten auf die Krise der Automobilindustrie“ berichteten der VK-Leiter von VW Salzgitter und ein BR-Mitglied von Daimler/Untertürkheim über den Druck auf die Beschäftigten, der von den Vorständen durch die „Transformation“ der Autoindustrie mittels Elektrifizierung, Digitalisierung und autonomem Fahren aufgebaut wird. Der Ökonom Winfried Wolf warnte davor, den Beteuerungen der Vorstände zu glauben, mit der Elektrifizierung könne man die akute Branchenkrise ohne eine echte Verkehrswende lösen. In der Diskussion wies Uwe Fritsch, Betriebsratsvorsitzender von VW Braunschweig, auf die manchmal auch irrationalen Ängste der Kolleginnen und Kollegen hin. Um dagegen erfolgreich anzugehen, müssen Fragen wie „Wie sichern wir die Arbeitsplätze der Kolleginnen und Kollegen“ und „Wer bezahlt die notwendige Umqualifizierung in der Transformation“ beantwortet werden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Kolleginnen und Kollegen den rechten Rattenfängern mit den einfachen Parolen nachlaufen. Und Achim Bigus, VK-Leiter VW Osnabrück, diskutierte erste Schritte, den durchaus vorhandenen Widerspruch „Autoindustrie – Umwelt“ zu überwinden. Für ihn ist klar, Nachhaltigkeit heißt auch weniger stofflicher Umsatz (Produktion); das sei ohne drastische Arbeitszeitverkürzung aber kaum zu schaffen.

Aktuelle Arbeitskämpfe

In der AG „Aktuelle Arbeitskämpfe: Stand, Probleme, Perspektiven“ unterbreitete Heiner Dribbusch, Streikforscher des WSI, Zahlen und Details über die Arbeitskämpfe der letzten Jahre.

Kalle Kunkel, ver.di-Sekretär aus Berlin, zuständig unter anderem für die Charité, schilderte die Voraussetzungen, aber auch die Schwierigkeiten des Arbeitskampfes an der Charité, der den erfolgreichen Durchbruch bei der Personalbemessung in Krankenhäusern möglich machte. Er verschwieg nicht, dass der Abschluss damals nicht perfekt war in der Überprüfbarkeit der Personalbemessung, erklärte aber, wie wichtig es war, überhaupt einen Abschluss zu bekommen, um weitere Kliniken in den Kampf einzubeziehen. Es dauerte dann drei Jahre, bis die Auseinandersetzungen an Kliniken im Ruhrgebiet, im Saarland und in Baden-Württemberg aufgenommen wurden. Insgesamt gibt es an 13 Kliniken Vereinbarungen zur Personalbemessung, die zugleich Unzulänglichkeiten des ersten Abschlusses vermeiden konnten.

Internationale Gewerkschaftsarbeit

In der AG „Transnational gegen das Kapital: Herausforderungen internationaler Gewerkschaftsarbeit“ fand sich eine spannende Gruppe mit großer Resonanz und internationalen Teilnehmerinnen und Teilnehmern zusammen.

Marika Varga von der IGM erläutete die transnationale Partnerschaftsinitiative und gab Einzelheiten zu den Umständen des erfolgreichen Streik bei Audi in Ungarn und zu den Bedingungen in den osteuropäischen Ländern. Harwig Erb, 1. Bevollmächtigter der IGM Wolfsburg, gab Einblick in die Entwicklung der Intersoliarbeit der Geschäftsstelle und der Arbeit des europäischen und Weltbetriebsrates von Volkswagen.

Völlig andere Probleme gibt es im Bereich der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG). Hier sprang der im Unruhestand befindliche Kollege Jürgen Hintzer für seinen verhinderten Kollegen ein. Von den drei Großkonzernen im Organisationsbereich der NGG, Unilever, Nestlé und Coca-Cola, ging es hier konkret um die internationalen Kämpfe bei Coca-Cola. Ein sehr politischer Gewerkschaftssekretär, der seine Arbeit unglaublich lebendig und kreativ gestaltet.

Ein Höhepunkt war die Schilderung der (immer noch laufenden) Auseinandersetzung bei der irischen Billigfluglinie RyanAir. Die Verhandlungsführerin von ver.di, Mira Neumaier, und eine Aktivistin berichteten von der langjährigen Vorarbeit der internationalen Transportarbeiterföderation ITF, über die breite Einbeziehung aller Parteien des Bundestages, die positive Rolle von Hubertus Heil bei der Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes bis hin zur unheilvolle Rolle von Mitgliedern der EU-Kommission.

Es gab Informationen über die elenden Arbeitsbedingungen bei

RyanAir. Beim Einstieg in ein Arbeitsverhältnis kommen erst mal 3 500 Euro Schulden für die Ausbildung und die Uniformen auf die Kolleginnen und Kollegen zu. Es ging in der Schilderung um Zusammenarbeit und Konkurrenz internationaler Gewerkschaften. Die Zuhörer erfuhren, wie vorteilhaft es ist, wenn alle Beschäftigten Englisch sprechen und über Smartphones verfügen. Von einer Belegschaft von

10 000 Beschäftigten, meistens Frauen, bildeten 6 000 innerhalb von drei Tagen eine Facebook-Gruppe, die es ermöglichte, zeitnah in allen Ländern die Informationen auszutauschen und die Streiks zu koordinieren. Durchgesetzt wurde nicht nur ein Tarifvertrag, sondern auch die Anwendung des jeweils nationalen Arbeits- und Sozialrechts und die Möglichkeit, Betriebsräte einzurichten.

So weit ein kurzer Überblick über diese spannenden zweieinhalb Tage. Die linke Presse war durch Stände von ND und „junge Welt“ vertreten. Die Braunschweiger Genossinnen verteilten 200 Exemplare der aktuellen UZ. Und auch die Marxistischen Blätter waren mit ihrem aktuellen Heft „Dieselgate, Verkehrschaos, Klimakrise Wege aus der Sackgasse“ gut präsent.

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"Gewerkschaftliche Erneuerung", UZ vom 22. Februar 2019



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