Zum Tod von Stefan Kühner

Gewerkschafter, Internationalist und Autor

Helmut Woda

Unser Genosse Stefan Kühner ist mit erst 69 Jahren am 8. Mai 2022 verstorben. Er war Mitglied in der Freundschaftsgesellschaft Vietnam, der IG Metall, bei den NaturFreunden und seit 1976 in der DKP. Er hinterlässt ein reiches Erbe an Vorträgen und Artikeln zu Vietnam, internationaler Politik, der Rolle der technischen Entwicklung in der Informatik und den Bewegungen zwischen Kapital und Arbeit sowie zwei Bücher zu den Bedingungen und Veränderungen in der digitalisierten Arbeitswelt. Sein neues Buch „Der digitale Wettlauf – USA, EU, China und die übrige Welt“ erschien zwei Tage vor seinem Ableben. Länder wie Indien, Russland, Vietnam oder Indonesien haben für diesen Wettlauf weder die Finanzmittel noch die Fachkräfte, heißt es da. Könnte durch das Konzept der Digitalen Seidenstraße „China der Abhängigkeit von westlichen Konzernen entkommen?“, fragt der Autor.

Nach seinem Studium der Informatik war Stefan zunächst in der Angewandten Informatik im Verkehrswesen tätig. Dann kam das Berufsverbot, denn er hatte sich während des Studiums als Mitglied des MSB Spartakus in Organen der Verfassten Studentenschaft engagiert. Er wusste als Vater von zwei Kindern nicht, ob er nach Auslaufen seines Arbeitsvertrags am 31. Dezember 1982 noch eine Arbeit haben würde oder nicht. Noch zehn Jahre später begrüßte ihn sein Chef in einem mittelständischen Unternehmen der Softwarebranche mit dem Satz: „Ach ja, ein ehemaliger Studienkollege von Ihnen hat mir erzählt, was Sie während der Studienzeit politisch so vertreten haben.“ Als 1990 völlig unerwartet eines Morgens der Belegschaft die Schließung des Karlsruher Standorts eines bedeutenden Automobilzulieferers verkündet wurde, herrschte bei den Kolleginnen und Kollegen im Saal erdrückende Sprachlosigkeit. In das Schweigen hinein fand Stefan als Betriebsratsvorsitzender als einziger Worte, die sie aus ihrer Erstarrung lösen konnten. Die Kolleginnen und Kollegen waren in der Folge immer an allen Entscheidungen des Betriebsrats und der IG Metall beteiligt. Aufgrund von Stefans ausgeprägtem Detailarbeitsvermögen musste der Betriebsrat auch von der Konzernspitze herangezogen werden. Die Schließung konnte zwar nicht verhindert werden, aber der sorgfältig erarbeitete Wissensvorsprung des Betriebsrats war Voraussetzung, für die Kolleginnen und Kollegen günstige Bedingungen herauszuholen. Unser Genosse Stefan hat mit aller Energie gekämpft, auch später als Marketingexperte in der erwähnten Softwarefirma um die Gründung eines Betriebsrats und – als das nicht gelang – um die Anerkennung seiner Kompetenz auf seinem Arbeitsplatz.

Als Marketingmanager wusste Stefan um die Bedeutung der Öffentlichkeitsarbeit, daher ging er mit seiner Parteigruppe „nach draußen“. Mit „Pflege statt Panzer” stand er auf einer Fußgängerbrücke den Ordnungshütern gegenüber. Kaum in Rente, engagierte er sich in der Marx-Engels-Stiftung. Er wurde zu deren Vorsitzendem gewählt, organisierte Tagungen und Seminare und stärkte ihren Onlineauftritt.

Das Hauptaugenmerk seines politischen Engagements galt seit seiner Studentenzeit Vietnam. Als stellvertretender Vorsitzender der Freundschaftsgesellschaft Vietnam verfolgte und dokumentierte er die politischen Entwicklungen des Landes und trat für internationale Solidarität ein. Daraus entwickelten sich zahlreiche tiefe persönliche Freundschaften.
In den letzten Jahren versuchte er in zahlreichen Veranstaltungen und Konferenzen Kenntnisse über die Entwicklung der Produktivkräfte infolge des Einsatzes der Digitaltechnik zu verbreiten und trat dafür unter anderem in seiner Gewerkschaft, der IG Metall, auf. Er organisierte Beiträge für die „Marxistischen Blätter“ und bereitete ihre Herausgabe vor. Immer wieder lieferte er Artikel für die UZ zu Vietnam und Entwicklungen im asiatischen Raum, zur Produktivkraftentwicklung und zur Solidarität mit den Betroffenen von Kapitalwillkür und zeigte im Detail die Machenschaften des Kapitals auf. Gerne hätte er den von ihm gesammelten Materialreichtum genutzt, um noch tiefer in die von Marx, Engels und Lenin offengelegten dialektischen Gesetze vorzudringen, fand dafür aber keine Zeit mehr. In seinem Beitrag in den „Marxistischen Blättern“ 5/2021 unter dem Titel „Produktivkraftentwicklung und Produktionsverhältnisse in der 4. industriellen Revolution“ findet sich der Satz: „Mit Verteidigung hat dieses Waffensystem (FCAS), das mit 100 Milliarden Euro an Entwicklungskosten veranschlagt wird, nichts zu tun.“ Die aktuellen Entwicklungen wie das Scholzsche „Sondervermögen“ vom 27. Februar 2022 beobachtete er trotz Krankheit mit großer Sorge.

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"Gewerkschafter, Internationalist und Autor", UZ vom 20. Mai 2022



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