Gewerkschaften vor

Kolumne von Georges Hallermayer

Die Volksrepublik China hat sich in den letzten Jahren zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten im Karpfenteich der kapitalistischen Weltwirtschaft entwickelt. In der europäischen Stahlbranche geht die Angst um, wie der französische „Republicain Lorrain“ schreibt. Denn die für 15 Jahre vorgesehenen Anti-Dumping-Maßnahmen der Welthandelsorganisation WTO – von China notgedrungen akzeptiert – laufen aus, die Anerkennung des Status als „Marktwirtschaft“ steht vor der Tür.

Der Direktor der Europäischen Föderation der Stahlindustrie (EUROFER), Axel Eggert, schlug Alarm. Quasi die Gesamtheit der 330 000 Arbeitsplätze in Europa seien in Gefahr. Und die europäischen Stahloligarchen schieben die Gewerkschaften vor. Im Dezember bat EUROFER den Europäischen Gewerkschaftsbund zu einer gemeinsamen Erklärung gegen die Exporte aus China, in der Maßnahmen „gegen Sozial- und Umwelt-Dumping“ gefordert werden. Der global agierende Gewerkschaftsverband IndustrieALL mit Sitz in Genf lud Vertreter von Oligarchen, Regierungen und Unternehmen zu einem Treffen, auf dem die Idee geboren wurde, alle Beschäftigten Europas vor der Europäischen Kommission in Brüssel auflaufen zu lassen. Die Direktion von ArcelorMittal Atlantique-Lorraine rief für den 15. Februar zu einem Marsch in Brüssel auf. Busse und Verpflegung selbstverständlich gestellt.

Die französischen Gewerkschaften CGT und CFDT, bis vor zwei Jahren an vorderster Front gegen die Zerstörung der Hochöfen durch ArcelorMittag im lothringischen Florange, verweigern ihre Teilnahme, die Gewerkschaft FO stellt es ihren Mitgliedern frei, aber die gelbe Weiße-Kragen-Gewerkschaft CFE-CGC lässt sich tatsächlich vor den Karren der Stahloligarchen spannen, die die Sorge um ihre Profite umtreibt.

Dabei hat die Volksrepublik China, wie die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua am Montag meldete, seit 2011 unproduktive Stahlwerke mit einer Produktionskapazität von mehr als 50 Millionen Tonnen geschlossen. Und in den kommenden fünf Jahren wird die Kapazität um weitere 100 Millionen Tonnen heruntergefahren. Damit tritt China in Vorleistung, um die weltweiten Überkapazitäten zu reduzieren und mit der WTO zur Lösung des Problems beizutragen.

Das läuft weder „kurz und schmerzlos“ wie unter kapitalistischen Vorzeichen, noch widerspruchs- und konfliktfrei, ist aber ein gigantisches Projekt der Modernisierung. Das wird nicht nur Europas Wirtschaft beeinflussen. Und in Afrika nicht nur die Regierung in Pretoria, wo als aktuelles Beispiel der Kohleexport nach China so weit eingebrochen ist, dass die Unternehmen nunmehr Abnehmer in den Nachbarstaaten suchen.

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"Gewerkschaften vor", UZ vom 12. Februar 2016



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