Hand in Hand mit Faschisten: Sächsische „Mittelschicht“ marschiert gegen Flüchtlinge auf

Gewalt und Hass ohne Ende

Von Markus Bernhardt

Auch in der letzten Woche ist es in verschiedenen bundesdeutschen Städten erneut zu Großaufmärschen von Rassisten und Neonazis sowie zu Gewaltausbrüchen und Anschlägen gekommen, die sich gegen Flüchtlinge und deren Unterkünfte sowie Flüchtlingsunterstützer richtete. Angeheizt wurden die rechten Aktivitäten, bei denen lupenreine Faschisten mit selbsternannten besorgten Bürgern gemeinsame Sache machen, unter anderem von der sozialchauvinistischen AfD. So waren in Thüringen vor wenigen Tagen über 8 000 Rassisten aufmarschiert, um gegen die Flüchtlingspolitik zu demonstrieren. Mit Blick auf die „Wir schaffen das“-Äußerung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) entgegnete Alexander Gauland, Landessprecher der AfD-Brandenburg: „Wir wollen das gar nicht schaffen“. Wenn die Kanzlerin den Willen des Volkes nicht verstehe, müsse sie sich ein anderes Volk suchen, so Gaulands plumpe Erkenntnis. Für den 21. Oktober mobilisiert die rechte Partei erneut zu einer Kundgebung nach Erfurt. Dann soll die Bundessprecherin der AfD, Frauke Petry, die zugleich AfD-Landessprecherin in Sachsen ist, den Erfurtern die rechten Phrasen einpeitschen. Erst kürzlich hatte die AfD Strafanzeige gegen Bundeskanzlerin Merkel wegen des vermeintlichen „Einschleusens von Ausländern“ (Paragraph 96, Ausländergesetz) erstattet.

Die rechte Hetze bleibt unterdessen keineswegs ohne Wirkung. So wurde in der Nacht vom 8. zum 9. Oktober das Jugend- und Wahlkreisbüro der Landtagsabgeordneten Katharina König (Linkspartei) in Saalfeld erneut Ziel einer offensichtlich neonazistisch motivierten Attacke. „Seit der Demonstration von NPD-Kreisrätin Mandy Meinhardt am letzten Freitag erleben wir eine Zunahme von neonazistischen Vorfällen in der Region um Saalfeld, seit einer Woche verging nicht ein Tag, an dem es nicht zu Übergriffen, Bedrohungen oder rassistischen Schmierereien kam. Ziel der Hassattacken sind dabei vor allem Flüchtlinge und deren Unterstützer“, berichtete Katharina König.

Unter den rund 350 Teilnehmern des Naziaufmarsches am 2. Oktober habe sich „eine hohe Anzahl gewaltbereiter Neonazis verschiedener Gruppen, darunter NPD, Kameradschaften, bekannte Holocaustleugner und Neonazi-Rocker aus der Region“ befunden. Auch viele verurteilte rechte Schläger, Mitglieder des früheren „Thüringer Heimatschutzes“, aus dem das Terrornetzwerk „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) entstanden war, und mehrere jener Neonazis aus dem Rotlicht-Milieu, die vor zwei Jahren wegen eines Raubüberfalls 1999 auf einen Geldtransporter verurteilt wurden, liefen mit“, so die Landtagsabgeordnete weiter.

„Derzeit ist ein Radikalisierungs-Trend zu beobachten, der sich nicht nur in Saalfeld vollzieht. Durch die Demonstrationen von Neonazis und AfD, wie sie auch in Erfurt und in anderen Städten stattfinden, steigert sich der Hass, der bereits in sozialen Netzwerken ausgetobt wird. Die Täter glauben häufig, den ‚Volkswillen‘ zu vollstrecken, und fühlen sich dadurch bestärkt, dass sie durch so genannte ‚besorgte Bürger‘ selten Abgrenzung erfahren, wie auch vor einer Woche bei der Demonstration in Rudolstadt zu sehen war“, konstatierte die Abgeordnete.

Auch in Sachsen marschierten in der jüngsten Vergangenheit mehrere Tausend Rechte auf. Am Montag umfasste die Zahl der Aufmarschteilnehmer bei „Pegida“ etwa 8 000 bis 9 000 Personen. Dort führten Demonstrationsteilnehmer auch einen selbst gebastelten Galgen mit, an dem jeweils ein Strick für Bundeskanzlerin Merkel und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) reserviert waren. Die Polizei griff offensichtlich vor Ort nicht ein. Erst Veröffentlichungen von Fotoaufnahmen des Galgens sorgten für öffentliche Empörung.

Verwundern tut dies nicht. Erst in der letzten Woche hatten Polizei und Ordnungsamt in der sächsischen Landeshauptstadt zugegeben, nicht in der Lage zu sein, Versammlungsauflagen bei den rassistischen Pegida-Aufmärschen überhaupt auch nur durchzusetzen.

Rico Gebhardt, Fraktionschef der sächsischen Linkspartei, warf der aus CDU und SPD bestehenden Staatsregierung vor, eine entscheidende Mitverantwortung an den rechten Aktivitäten zu tragen. „Durch Wegducken, Leugnen, Verniedlichung und durch eine ständig auf links einschlagende Politik wurde das überhaupt erst möglich“, so Gebhardt. Er verwies außerdem auf „die schier endlose Serie islamophober Ausfälligkeiten sächsischer Landtags- und Bundestagsabgeordneter“.

Das antifaschistische Bündnis „Dresden nazifrei!“ ruft mittlerweile für den 19. Oktober zu einer Demonstration unter dem Motto „Es reicht! Herz statt Hetze!“ nach Dresden auf.

Unterdessen wurde bekannt, dass laut offiziellen Statistiken der Bundesregierung allein im August dieses Jahres insgesamt 1 469 rassistische Straftaten, darunter 100 rechtsextrem motivierte Gewalttaten, dokumentiert wurden. Die tatsächliche Anzahl dürfte erwartungsgemäß deutlich höher liegen.

www.dresden-nazifrei.com

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"Gewalt und Hass ohne Ende", UZ vom 16. Oktober 2015



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