Zu „Seuche und Imperialismus“, UZ vom 11. September

Gewagte Wortwahl

Jan Meier, Frankfurt am Main

Ich finde, dieser Artikel ist wirklich eine mittelschwere Katastrophe: „Gefangen in Vasallentreue“. Das ist aus meiner Sicht wirklich eine gefährliche Entwicklung. Wenn man die Imperialismustheorie so uminterpretiert (und folgerichtig dann auch eher von Imperium als vom Imperialismus spricht), dann ist das geeignet, uns an die Seite derer zu führen, die nur allzu gerne als EU-Imperialismus endlich die „Fesseln des US-Imperiums“ abschütteln wollen, um in einer anderen (aber ebenfalls imperialistische Ziele verfolgenden) Allianz erneut nach der Weltherrschaft zu greifen.

Insbesondere die Formulierung „Vasall“ halte ich für äußerst problematisch, weil sie (auch wenn der Autor das anders meint) ein falsches Bild vermittelt: Ein Vasall ist jemand, der im Mittelalter seinem Herrn zu Diensten aller Art verpflichtet ist. Das hat der deutsche Imperialismus noch nie freiwillig gemacht und spätestens nach 1990 kann er auch nicht mehr gezwungen werden. Beispiele sind alle NATO-Einsätze seitdem, insbesondere der zweite Irak-Krieg und Libyen, wo der BRD-Imperialismus nicht mitgemacht hat. (…)

Ähnliches gilt für die Formulierung „Joch“ – als ob der deutsche Imperialismus tributpflichtig wäre. Das sind Formulierungen die man unter gewissen Umständen (aber eben auch dann mit größter Vorsicht) gegen Sachen wie den Versailler Vertrag (imperialistischer Zwangsvertrag zur Niederhaltung eines Konkurrenten, in diesem Fall: deutsches Reich) benutzen kann. Aber diesen Vertrag gibt es nicht mehr und auch nichts Vergleichbares.

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"Gewagte Wortwahl", UZ vom 25. September 2020



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