Ob Krankenhaus oder Alterspflege, die Personaldecke bleibt kurz. Zu diesem Ergebnis kommt der Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). 130 Delegierte trafen sich am 9. und 10. November in Duisburg. Sie vertreten rund 79 000 Mitglieder in NRW.
Zu der positiven Mitgliederentwicklung des Fachbereichs in den letzten vier Jahren hat maßgeblich der Widerstand gegen die schlechten Arbeitsbedingungen im Gesundheitssystem beigetragen. Bereits 2013 stellte die Gewerkschaft fest, dass in den Krankenhäusern 162000 Stellen fehlen, 70000 davon allein in der Pflege. ver.di gelang es, die personelle Unterbesetzung und die daraus für die Patienten lebensbedrohlichen Situationen öffentlich zu machen.
Treibende Kraft für den Kampf für einen Entlastungstarifvertrag waren dabei die Unikliniken Düsseldorf und Essen. Nach anfänglichen Warnstreiks, dann mit unbefristeten Arbeitskämpfen bis zu zwölf Wochen, setzten diese einen Entlastungstarif durch. Erstmals nach 1989 gelang es damit, auf die Personalplanung der Unternehmer und Klinikleitungen Einfluss zu bekommen.
Obwohl ein Entlastungstarifvertrag jetzt vereinbart ist, ist die Umsetzung, wie nicht anders zu erwarten, nicht einfach. Mehrere Delegierte berichteten darüber, dass die vereinbarten Soforteinstellungen nicht stattfinden, weil kein neues Personal vorhanden sei. Die für diese Situation vereinbarte Verringerung der Bettenzahlen werde aber von den Vorständen boykottiert und umgangen. Deshalb laufe alles wie bisher, verbessere sich nichts an den Arbeitsbedingungen der Krankenhausbeschäftigten. „Von Entlastung keine Spur. Es stelle sich heraus, dass die Vorstände weiter so verfahren wie vor den Streiks. Die Gewerkschaft ver.di müsse deshalb die Forderung und Vereinbarung von Stationsschließungen offensiver angehen“, sagte eine Krankenschwester auf Nachfrage von „Unsere Zeit“. Schließlich sei dies für den Fall, dass die Vorstände der Unikliniken keine Neueinstellungen tätigen, vorausschauend vereinbart worden.
Die Personalratsvorsitzende des Uniklinikums Essen, Alexandra Willer, sagte auf der Konferenz, „es ist kein Zufall, wenn sich die Vorstände so verhalten. Dies ist System dieser Politik“. Willer wies darauf hin, dass Gesundheitsminister Spahn sich nicht bewege, wenn es der Krankenschwester im Job schlecht gehe. „Das tut er nur, wenn wir die Geschicke unserer eigenen Arbeitsbedingungen selbst in die Hand nehmen und weiter auf uns aufmerksam machen“, rief sie den Delegierten unter starkem Applaus zu.
Die Belegschaften wollen endlich ein Ergebnis sehen. In mehreren Diskussionsbeiträgen wurde eingeschätzt, dass die zahlreichen Neuaufnahmen ein wirkungsvolles Potential sein können zur Umsetzung und Verwirklichung des Entlastungstarifes.
Dies wird auch im Leitantrag A003 so formuliert. Für die nächsten vier Jahre müsse deshalb die betriebliche und gewerkschaftliche Arbeit gestärkt werden. Notwendig sei es, in den Belegschaften und bei gewerkschaftlichen Aktiven ein Bewusstsein zu schaffen, dass der Kampf und nicht die Sozialpartnerschaft der einzige Weg sind, um gegen den Personalmangel vorzugehen.
Beschlossen wurden auch Anträge, die sich mit der Stärkung von Patientenbündnissen beschäftigen. Solche Initiativen außerhalb der Krankenhäuser und Pflegeheime können eine Menge bewegen. Zumal Patienten und Angehörige die unmittelbaren Auswirkungen der menschenfeindlichen Politik spüren. Geld für ein soziales Gesundheitssystem ist dabei reichlich vorhanden. Alleine in die Rüstung steckte dieser Staat 2017 rund 38 Milliarden Euro Das haben auch die Delegierten erkannt. 95 von ihnen unterschrieben während der Konferenz den Aufruf „Abrüsten statt Aufrüsten“.