In der vergangenen Woche sind die ersten Bundeswehrsoldaten zum neuen deutschen Kriegseinsatz in Syrien und im Irak aufgebrochen. Anfang Januar soll der Aufmarsch von bis zu 1 200 deutschen Soldaten im syrisch-irakischen Kampfgebiet abgeschlossen sein, dann sollen die ersten Operationen starten. Dieser Einsatz wird keine kurze Intervention sein, er ist auf eine Dauer von mehreren Jahren angelegt – Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) spreche „von zehn Jahren“, so ein regierungsnaher Experte.
Mit dem Aufmarsch verbunden ist eine stärkere Einbindung deutscher Militärs in alle relevanten Befehlszentralen der westlichen Kriegskoalition gegen den „Islamischen Staat“ (IS). Oberste Kommandostelle ist das United States Central Command (CENTCOM) im US-amerikanischen Tampa. Vor Ort geführt werden sämtliche Einheiten vom Hauptquartier der westlichen Kriegskoalition in Camp Arifjan (Kuwait). In beiden Einrichtungen wird die Anzahl deutscher Verbindungskräfte nun aufgestockt. Darüber hinaus werden deutsche Militärs jetzt in das Combined Air Operations Centre (CAOC) in Qatar eingebunden, das die Luftoperationen gegen den IS koordiniert.
Während die Bundesrepublik damit auch jenseits der Ausrüstungs- und Trainingsmaßnahmen für die nordirakisch-kurdischen Milizen („Peschmerga“), die die Bundeswehr seit mehr als einem Jahr durchführt, in den Krieg eintritt, sind die politischen Ziele jenseits der Niederschlagung des IS noch in hohem Maße ungeklärt. Für den Irak zeichnet sich eine Abspaltung der kurdischsprachigen Gebiete im Norden des Landes ab.
In Syrien geraten die westlichen Staaten seit dem Beginn der russischen Intervention unter Handlungsdruck. Mittlerweile scheint nicht mehr nur die Option ausgeschlossen zu sein, Präsident Bashar al Assad zu stürzen, weil er von Moskau jetzt auch militärisch unterstützt wird. Darüber hinaus arbeitet die Zeit gegen die vom Westen geförderten Aufständischen: Der in der vergangenen Woche eingeleitete Abzug der Rebellenmilizen aus Homs zeigt, dass Assads Regierung ihre Stellung wieder stärken kann. An Verhandlungen zwischen den Aufständischen und der Regierung führt daher auch aus westlicher Sicht eigentlich kein Weg mehr vorbei. Offen sind dabei allerdings zahlreiche Fragen – unter anderem, wer in die Gespräche einbezogen wird, aber auch, ob bzw. in welcher Form Syrien bestehen bleiben soll.
Konsens zeichnet sich deshalb darüber ab, dass Präsident Assad an den Verhandlungen zunächst beteiligt wird, aber auf lange Sicht keine politische Rolle mehr spielen soll. In Berlin sind Stimmen zu hören, die den Fortbestand Syriens offen in Frage stellen. Es sei unklar, was „mit den Regionen“ geschehen solle, „aus denen der IS verdrängt“ werde, falls die militärischen Operationen nach Plan verlaufen, teilt Markus Kaim mit, der die Arbeitsgruppe Sicherheitspolitik der vom Kanzleramt finanzierten Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) leitet. Der „Sicherheitsexperte“ deutet verschiedene Möglichkeiten an: „Fallen diese Gebiete einfach an das syrische Regime zurück, legen sie den Keim für einen Kurdenstaat oder werden sie einem internationalen Protektorat zum Schutz der Zivilbevölkerung unterstellt?“
Klar ist hingegen, dass Berlin sich eine führende Rolle bei der Neuordnung der Region verspricht. Kaim urteilte in einem Interview: Deutschland steige mit seiner Beteiligung am Krieg gegen den IS zur „Gestaltungsmacht im Nahen und Mittleren Osten“ auf.