Ein rechter Mob inklusive Parlamentsabgeordneten drang in den israelischen Militärstützpunkt Sde Teiman ein und wollte neun Soldaten befreien. Sie waren der Folter an Palästinensern angeklagt und auf dem Stützpunkt festgenommen worden.
Der frühere israelische Ministerpräsident Ehud Olmert warnt deshalb in einem Kommentar für die Zeitung „Haaretz“ vor dem wachsenden Einfluss jüdischer religiöser Extremisten, die er für gefährlicher hält als den Krieg von außen. Und fragt: „Stehen wir wirklich schon nahe vor einem Bürgerkrieg?“
Olmert ist keineswegs der Einzige, der diese Frage stellt. Schon vor dem Krieg, anlässlich der Demonstrationen gegen die sogenannte Justizreform, geisterte das Thema Bürgerkrieg durch die Kommentarseiten israelischer Medien.
Zwar macht eine versuchte Gefangenenbefreiung wie im Falle der Soldaten von Sde Teiman oder die Besetzung des Militärstützpunktes Tel Hashomer aus Protest gegen den Zwang zum Militärdienst für orthodoxe Juden noch keinen Bürgerkrieg. Aber wie im Falle der Justizreform geht die Spaltung mitten durch die israelische Gesellschaft.
Fast die Hälfte der Befragten bei einer Umfrage in Israel hielten Folter an Palästinensern für zulässig. Und das ist in Israel keine akademische Frage. Experten der Vereinten Nationen schrieben in einem Bericht an die UN-Menschenrechtskommission von weitverbreiteten und systematischen Misshandlungen an Palästinensern in Haft – seit Jahrzehnten und bei völliger Straffreiheit für die Folterer.
Für die Behörden entsprechen die Haftbedingungen „Recht und Gesetz“. Außerordentliche Bedingungen in Einzelfällen erfolgten angeblich aus Gründen der Sicherheit.
Zurzeit sind circa 9.500 Palästinenser in israelischer Haft, ein Drittel von ihnen aufgrund administrativer Entscheidung ohne Gerichtsurteil. Nach Verhaftungswellen und Entführungen auf palästinensischem Gebiet ist seit dem 7. Oktober eine unbekannte Zahl von Palästinensern zusätzlich in Lagern eingesperrt.
Rechten religiösen Siedlergruppen ermöglicht die Apartheid auf der Westbank Angriffe auf Besitz und Leben von Palästinensern. Für sie ist Israel ein „jüdischer Staat“ in dem es keinen Raum für Nichtjuden gibt. Sie treiben damit die Formulierungen des Nationalstaatsgesetzes auf die Spitze, das Israel zum Staat ausschließlich seiner jüdischen Einwohner erklärt.
Dieser Staat genießt weiterhin Straffreiheit, wenn entgegen allen internationalen Einwänden die illegale Siedlungspolitik ausgeweitet wird. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag prüft noch immer, ob er gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu Haftbefehle wegen des Genozids in Gaza erlassen wird. Die USA, Ungarn, Tschechien, aber auch Deutschland haben sich schützend vor die israelische Regierung gestellt.
Olmert spricht in seinem Kommentar von der Gefahr, die von jüdischen Fundamentalisten ausgeht, die immer mehr Kontrolle im jüdischen Staat und der Gesellschaft übernehmen und die Grundlagen des demokratischen Israel untergraben wollen.
Der Autor Zack Beauchamp blickt tiefer: Er beschreibt die grundlegende Spaltung zwischen dem demokratischen Israel innerhalb seiner anerkannten Grenzen (und für die jüdische Bevölkerung) – und dem gewalttätigen autoritären Staat, den es in den besetzten palästinensischen Gebieten darstellt. Diese Spannung kann nicht auf Dauer bestehen. Und immer mehr, schreibt Beauchamp, ähnelt Israel seinem autoritären Schatten. An Waffen fehlt es nicht: Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir rühmte sich schon im März, dass sein Ministerium seit Oktober 100.000 Waffenscheine ausgegeben habe.